Google Glass kann in Frankreich einpacken, denn hier trifft der Trend auf wenig Verständnis. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wie ungern die Franzosen bereit sind Anglizismen in ihre Sprache aufzunehmen, ist unlängst bekannt. Da ist es keine sonderlich große Überraschung, dass nun auch der Begriff Google Glass seine ganz eigene französische Note bekommt.
Doch es ist nicht nur der Ärger mit dem Namen, der prophezeit, dass der Trend Lunettes de Google hier in Frankreich 2014 scheitern wird. Der gesamte Hype um die Wearables leitet nämlich das ein, was bereits jetzt als fast gegenwärtig erscheint:
Hyperconnectivity.
Ear buds, smart watches, smart charging bowls und smart onesies werden zukünftig die Verbindungselemente zwischen der physischen, realen Umgebung und der technischen, medialen Cloud bilden. Die Idee ist zwar keine neue, doch wenn es Wettbewerben wie „Make It Wearable“ gelingen sollte, den ehemaligen Geek-chic zum Statussymbol unseres Lifestyles zu wandeln, dann ist es eine verdammt gefährlich gute.
Denn dann heißt es: Aufgepasst!
Nun wird der Nutzer mit noch mehr Informationen in seinem ohnehin schon big data-crunching Lifestyle gefüttert. Spannend ist das auf jeden Fall. Doch wie hoch die Erwartungen an den Trend für 2014 auch sein mögen, so sehr steigt in Frankreich die Skepsis gegenüber den Devices vor einer möglichen Observation 24/7.
Die Sorge macht sich breit, die Kontrolle darüber zu verlieren, wann und wo ich gefilmt werde und welche Daten von mir erhoben werden. Denn das bedeutet: Absolute Einschränkung. Sei es auf meinem täglichen Weg in der Metro zwischen Jussieu und Saint Lazare, beim Feiern in der Rue Mouffetard oder bei einem Streifzug durch den Supermarkt. Und hierbei sind die Sicherheitsfragen und die Angst vor der Hyperconnectivity tatsächlich nur zwei von so einigen Punkten, die 2014 zum Deal-Breaker für die lunettes de Google werden.
These are on our faces and are the most controversial product of my lifetime (and that’s saying something). Everyone will compare sales of Google Glass to Apple’s iWatch. That is going to bring a raft of “Google Glass isn’t popular” kinds of articles. Translation: Glass is doomed.
Der Trend wird kommen, doch wird die Blase 2014 platzen! Denn abgesehen davon, dass die Erwartungen die momentanen Möglichkeiten bei weitem übersteigen, ist Frankreich noch nicht bereit, all das über Bord zu werfen, was an diesem Land so liebenswert ist. Denn so ganz hyperconnecté wird der gläserne Blick auf das sonntägliche Picknicken bei Rotwein und Baguette im Park einfach zu trüb.
Klickenswert:
Anderer Ansatz zum Thema von Lucas Rex - 2014: Google Glass und iWatch werden die Welt verändern
Ablösung der Google Glass von morgen? Smart Contact Lens Project - washingtonpost.com
Dieser Artikel ist Teil des Trendblogger-Dossiers zum Thema ‘Digitale Trends 2014′
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Die Frage bleibt nur ob man sich überhaupt dagegen wehren kann, bzw. wann die ersten autonomen Gruppen losziehen um Brillen von Passanten zu zerstören, auch wenn selbst das diesen Prozess wohl nicht aufhalten kann. Aber symbolisch ist es eine interessante Anekdote von der du uns hier berichtest.
Paul, danke für den Beitrag. Wenn es irgendwann soweit sein sollte, dass das Konzept Google Glass sich wirklich im Alltag etablieren kann, dann ist es weniger die Frage, ob man den Trend noch aufhalten kann, als vielmehr durch kritisches Reflektieren möglicher Problematiken vor gekonnter Naivität zu schützen.
Pingback: Das Monatsdossier im Januar 2014: “Medien- und Technologietrends 2014″ – Betreut durch Jens Best | Die Trendblogger
Ein interessanter Einblick in die französische Gesellschaft, den du uns da erlaubst! Sehr schön geschriebener Artikel! Es wird spannend werden zu sehen, ob Frankreich wirklich ein spezieller Fall ist, oder ob sich auch anderswo die Skepsis durchsetzen wird.
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Kennst Du das Projekt http://www.glassandsex.com/
Das wäre doch was für die Franzosen? Oder ist das ein Stereotyp?
@Leonard: Liebsten Dank für das Kompliment! Ich denke, es gibt tatsächlich Kulturen, in denen der Skeptizismus gegenüber dieser Innovation sich noch entscheidender ausdrücken wird als er es hierzulande tut. Nur finde ich es besonders interessant, wie sich dieser äußert und ob er die Oberfläche des öffentlichen Diskures erreicht. Die Sprache ist daher für mich ein ganz entscheidender Faktor und gerade deshalb fand ich die neue Begriffsfindung der Franzosen mit “lunettes de Google” so unglaublich gelungen!
@Karsten: Provokanter Beitrag! Sex sells – und das nicht nur in Frankreich. Doch dieses Konzept unterstreicht ja genau das, was ich im Artikel als kritisch bezeichne. Denn was noch interessanter ist, als der stereotypische Gedanke, ist doch das, was hinter der ziemlich self-centered Idee von “Wear Glass. Make Love.” steht: Die Möglichkeit, sich selbst aus den Augen des Partners zu sehen und das natürliche, reale Bewusstsein von Momenten durch filternde Gläser zu scannen.
Ich stelle mir die Frage, wie natürlich der Umgang von zwei Menschen noch sein kann, wenn jeder noch so intime Augen-Blick festgehalten und später in Zeitlupe betrachtet/analysiert werden kann?
Rollenspiele sind ja eine uralte erotische Variante, insofern sind da selbstgedrehte GoogleGlass-Pornos eher früher als später zu erwarten. Ich vermute sogar, irgendwo arbeitet gerade ein Porno-Studio genau an so einer Idee.
Aber die Frage ist natürlich, ob das dann ein Fetisch-Objekt wird und bleibt, oder ob es irgendwann so normal ist, GoogleGlass zu verwenden beim Sex wie es heute normal ist, dass das Handy neben dem Bett liegt und nicht ausgeschaltet wird.
Google Glass fand ich bisher immer uninteressant, aber in diesem sexuellen Kontext oder für ähnliche Kunstprojekte mit voyeuristischem Beigeschmack dann doch ziemlich spannend.