Quelle: (dn.se); Photo: William Spetz
Youtube greift dem traditionellen Fernsehen die Zuschauer ab: Der schwedische öffentlich-rechtliche Fernsehen SVT dreht den Spieß einfach um – und kauft einen der beliebtesten Videoblogger des Landes ein.
Das Netz bestimmt die schwedische Öffentlichkeit: Das fünftgrößte Land Europas ist nur spärlich besiedelt. Zehn Millionen Einwohner, von denen rund zwei Millionen im Großraum Stockholm leben, verbinden sich vor allem über das Internet. Soziale Netzwerke und Bloggs boomen.
Über 97 Prozent der Menschen im Alter von 12 bis 44 Jahren sind regelmäßig online: „Es gibt Blogs mit regelmäßig eine Million Lesern. Das ist ein Zehntel der gesamten Bevölkerung!“, staunt die schwedische Studentin Meryem Moufid über ihr eigenes Land, denkt dabei vor allem an Fashion-Blogs für junge Leute. Harte Zeiten also für ein traditionelles Medium wie das Fernsehen? Das öffentlich-rechtliche Sveriges Television (SVT) versucht, einen Weg aus der Misere zu finden.
Dieser Weg hat aktuell einen Namen: William Spetz. Der 16-jährige Schüler aus dem nordschwedischen Umeå startete als 11-Jähriger seinen Lilla blogg, im Mai 2010 einen Videoblog auf Youtube und hat mittlerweile bei Facebook über 85.000 Fans. „Stimmt, den kenne ich“, weiß auch Meryem. Ein schwedischer Medienlebenslauf par excellence könnte man meinen – und genau deshalb hat ihn nun SVT unter Vertrag genommen.
Seit dem 23. September wird nun am Sonntagabend um 19.00 Uhr die zehnminütige Serie Williams Lista ausgestrahlt, amüsanterweise aber „nur“ im hauseigenen Internetsender SVT Play.
Williams Programm berichtet über das typische Teenagerleben: Liebe, Schule, Partys, erste Erfahrungen mit Alkohol – und die damit verbundenen Peinlichkeiten. Bis in die 90er Jahre waren private Sender aus Schweden nicht erlaubt: Die Öffentlich-Rechtlichen mussten in keinen Wettstreit treten, machten Programm für traditionelle Zuschauer. Das Resultat ist ein enormer Rückstand, den sie im Hinblick auf die jungen Zielgruppen wett machen müssen.
Für Williams abstrus dargebotene und mit dem Looser-Image versehenen Fehltritte interessierten sich seit dem Start seines Videoblogs regelmäßig zwischen 200.000 und 1.000.000 Zuschauer. SVT hofft natürlich, diese auch für sich gewinnen zu können.
Erfolgsmodell oder Kapitulation
Die Sendergesellschaft will also ihr Programm im Comedy-Sektor erweitern und junge Menschen erreichen. Gleichzeitig zeigt sie einen Weg auf, wie das Fernsehen mit den Herausforderungen des Internets umgehen kann – allerdings lediglich bis zu einem bestimmten Punkt: Denn einfach die Stars eines anderen Mediums in seine Reichweite zu integrieren kann zwar kurzfristig für Erfolg sorgen, löst das Problem der fehlenden Attraktivität aber langfristig nicht.
Anders gesprochen: Die Zuschauer der Internetsendungen werden wohl kaum aus Solidarität öfter den Fernsehsender einschalten.
So droht vielleicht nicht William Spetz, aber der Lebenslauf des traditionellen Fernsehens in eine Sackgasse zu geraten. Spätestens wenn es im Internet Videoplattformen mit wettbewerbsfähiger Finanzierung gibt, werden es die Fernsehsender schwer haben, mit dieser Strategie zu bestehen. Dann ist es vorbei mit SVTs freilich selbstironischem Slogan seiner Comedysparte: „Statens godkänd humor – Staatlich anerkannter Humor“.
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