Mit einer Reform, die die kommerzielle Nutzung von urheberrechtlich-geschütztem Material zulässt, will die UK zu einem besseren wirtschaftlichen Standort werden und neue Investoren ins Land holen.
Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs stagniert schon seit längerer Zeit. Die Regierung versucht mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen und ihr nächster Schritt in Richtung Wirtschaftsaufschwung ist nun eine Reform zum Urheberecht. Durch die Lockerung der bestehenden Gesetzgebung soll Großbritannien zu einem attraktiveren Standort für Unternehmen werden und dem Land so über die nächsten 10 Jahre 500 Millionen Pfund einbringen.
Was genau soll sich verändern?
Bisher war es illegal Werke, egal ob Schrift, Bild, Ton oder Film ohne die Erlaubnis des Rechteinhabers zu verwenden. Konnte man also einen Künstler nicht finden, konnte man sein Werk auch nicht für die eigenen Zwecke nutzen. Die Verwertung von solchen sogenannten „Verwaisten Werken“, wird nun durch eine noch dieses Jahr eingeführte Lizenz, auch ohne direkte Zustimmung des Urhebers, möglich.
Nach intensiver, aber erfolgloser Suche des Urhebers soll der Verbraucher diese Lizenz bei der IPO erwerben können. Der dabei eingenommene Betrag wird von der Verwertungsgesellschaft, die ähnlich der deutschen GEMA ist, aufbewahrt, sodass, wenn sich der Künstler oder der Rechteinhaber noch im Nachhinein anfindet oder von selbst auf den Gebrauch seiner Kunst aufmerksam wird, ihm das zustehende Geld ausgezahlt werden kann. Wie genau die Lizenz aussehen soll, ist bislang noch unklar. Fest steht aber, dass der Erwerb einer solchen Lizenz nicht ohne die offenkundige Darlegung des Suchprozesses und dem Durchlauf eines Bewerbungsverfahrens möglich ist. Auch die Interessen der Künstler sollen bei der Lizenzvergabe berücksichtigt werden. Nutzungsbestimmung wie Zeitlimitierung und Verwendungszwecke werden definitiv in dem Dokument zu finden sein, so die IPO. Im Moment arbeitet die Verwertungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Interessengruppen an einem Entwurf.
Die Vorteile der geplanten Reform liegen vor allem beim Verbraucher. Gerade durch das Internet und die sozialen Medien wie Facebook und Twitter sind Informationen über Urheber oft schwer zu finden. Metadaten gehen bei Up und Downloads auf vielen Seiten verloren und ohne sie wird das Auffinden der Werkeigentümer fast unmöglich. Für den Nutzer wird es nun dank der Reform in einer solchen Situation deutlich leichter an Lizenzen zu kommen. Wirkliche Einschränkungen bringt die Änderung der Gesetzgebung für ihn nicht.
Kritiker sehen die Reform als eine Einladung für viele Firmen Internetseiten regelrecht leer zu räumen und das Material anschließend für ihre Zwecke zu nur geringen Kosten zu nutzen. Sie haben Angst, dass die Rechte und Interessen der wirklichen Eigentümer der Werke unter den Tisch fallen und Künstler weder das ihnen zustehende Geld, noch die entsprechende Anerkennung bekommen. Für sie kommt die Änderung des Urheberechtes einem Ausverkauf der Kunst gleich. Außerdem besteht die Gefahr, dass die verwaiste Werke gegen den Sinn der Autors verwendet oder mit einem Kontext in Verbindung gebracht werden, der vom Eigentümer nicht unterstützt wird. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Umgang mit Rechteinhabern, die weder Mitglied der IPO sind, noch Kenntnis über dieser Organisation oder die Problematik haben. Die Verwertungsgesellschaft hätte durch die neue Reform die Erlaubnis, Lizenz in ihrem Namen ohne ihr Wissen zu verkaufen.
Wie geht Deutschland mit diesem Thema um?
Auch in Deutschland werden sich noch in diesem Jahr die Urheberrechtsbestimmungen, die den Umgang von verwaisten Werken regeln, verändern. Die autorenlosen Stücke sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und dürfen wahrscheinlich ab Oktober 2013 von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Bibliotheken, Museen und öffentlichen Bildungseinrichtungen genutzt werden.
Der Grund hierfür ist die EU Richtlinie 2012/28 vom Oktober 2012. Sie fordert eine gesetzliche Umstrukturierung aller Länder in der Union, sodass eine rechtliche Grundlage für einen Europa-weit einheitlichen Umgang mit verwaisten Werken besteht. Diese Umstrukturierung soll der Vergrößerung des europäischen Wissenspools dienen und den Umgang und Austausch der Objekte unter den Ländern vereinfachen und vereinheitlichen.
Am 10.04. wurde vom Bundeskabinett der “Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und weiteren Änderung des Urheberrechtssgesetzes” verabschiedet.
Die EU Richtlinie war auch in Grossbritannien der Anlass zur Reformierung der Gesetzgebung. Doch im Gegensatz zur moderaten deutschen Umstrukturierung, die keine kommerzielle Nutzung verwaister Werke zulässt, ist die Veränderung, die das vereinigten Königreich plant, drastischer und einscheidender – ob sie auch den gewünschten wirtschaftlichen Erfolg bringt und Firmen aufgrund dieses Standortvorteils in das Land investieren wird sich zeigen müssen.