Man nehme eine reißerische Schlagzeile und ein Titelbild, auf dem man nur die Hälfte erkennt. Jetzt spekuliert man auf die Neugier der Menschen und schon hat man Tausende von Klicks, die bares Geld bedeuten. Dieses Konzept hat die Website heftig.co perfektioniert und bis zur Schmerzgrenze ausgereizt. Doch wie, warum und wer macht etwas dagegen?
Kaum einer wurde auf Facebook noch nicht von Überschriften wie „Dieser Mann hat meine Sicht auf das Leben für immer verändert“, „Dieses Paar wollte sich in der freien Natur das Jawort geben. Was dann geschah, ist unglaublich“ oder „Man riss ihr das Kind einfach aus dem Leib. Bei diesen Bildern hinzuschauen, ist fast unmöglich“ belästigt. Beim Lesen erwarten einen dann moralische Geschichten, rührende Anekdoten oder mal mehr, mal weniger geistreiche Fotostrecken – vom schlafenden Kätzchen bis zum weinenden Opa ist alles dabei. Auch der standhafteste Verweigerer muss spätestens bei der dritten Überschrift doch mal ganz kurz drauf klicken, um zu sehen, was denn so toll, krass, schlimm oder zu Tränen rührend ist. Da muss man sich nicht schämen – Neugier ist ein Urinstinkt, der von heftig.co schamlos, aber erfolgreich ausgenutzt wird. So funktioniert Clickbaiting – reizende Überschriften für schnelle Klicks und bereitwilliges Weiterleiten an Freunde. Hinter dem Konzept von heftig.co stecken zwei Betriebswirte in ihren 30ern aus Potsdam: Michael Gloß und Peter Schilling. Ihr Arbeitsaufwand ist gering. Sie verlinken Videos anderer Seiten und versehen sie mit reißerischen Überschriften. Es ist nicht ihre erste Erfahrung mit Online-Unternehmen, aber vielleicht ihre erfolgreichste. Die Seite ist erst seit einem halben Jahr aktiv, aber hat alleine im letzten Monat 2,75 Millionen Reaktionen in verschiedenen sozialen Netzwerken ausgelöst. Inzwischen hat die Seite mehr geteilte Beiträge als Spiegel online und Bild.de.
Doch jede Medaille hat zwei Seiten und so gibt es zu den reißerischen Geschichten nun auch eine Gegen-Web-Seite. Jessica Riccò nervt das schnöde Clickbaiting und dreht die Strategie nun um. Auf ihrem tumbler megaheftig benutzt sie den gleichen Slogan „Dinge, die wichtig sind. Erzähle sie weiter“, aber was wirklich wichtig ist, liegt eben im Auge des Betrachters. Sie nutzt auch reißerische, aber ebenso passende Überschriften. Der Unterschied ist jedoch, dass man mit ihren Artikel oder verlinkten Videos über Weltkriege oder faire Löhne aufgeklärt wird, etwas über interessante Künstler liest oder auf wissenswerte Dokumentationen hingewiesen wird.
„Ich hatte keinen Masterplan, wie ich das aufbauen will. Dementsprechend kommen da Links zu Artikeln oder Studien rein, die ich gelesen habe und interessant fand. Zum Beispiel bei dieser islamistischen Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria. Das ist auch so ein Schlagwort der letzten Wochen, wo ich anfangs überhaupt nicht wusste, was die eigentlich machen. Da habe ich einfach ein paar Hintergrundinfos rausgesucht und mit einer schlechten Überschrift betitelt.“ Jessica Riccò im Puls-Interview
Auch Riccò hat das Rad nicht neu erfunden, aber vielleicht läuft man mit ihrem etwas runder. Wer also wirklich zu viel Zeit hat und bei Facebook nach den Geschichten des Lebens sucht, sollte vielleicht vor dem Klicken nachdenken, was er lesen möchte – heftige Geschichten oder megaheftige …