Berlin,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013/2014. In ein Land ziehen, in dem man niemanden kennt, in dem man sich nicht auskennt und dessen Sprache man nur bedingt gut spricht ist eine blöde Idee? Möglicherweise. Habe ich es trotzdem gemacht? Auf jeden Fall! Seit Ende Januar lasse ich mich von Valencia verzaubern und gehe mit besonders offenen Augen und Ohren durch die Straßen, um eine ganz spezielle Kultur zu erleben und gelegentlich auch auf die eine oder andere Außergewöhnlichkeit zu stoßen. Ob ich dabei nur auf siestaliebende Spanier oder bahnbrechende Erneuerungen treffe, kann bei den Trendbloggern nachgelesen werden. Update 01/2014: ... und so schnell ist man dann auch wieder zurück in der Heimat - det dufte Berlin - und siehe da, berichtenswerte "Trends" gibt es überall.


Geben, Nehmen und Teilen … und dafür bezahlt werden

Fensterputzen, Hosen kürzen oder den Balkon bepflanzen – Das sind alles Arbeiten, die bei Zeitmangel oft liegen bleiben. Auf Nachbarschaftsplattformen lernt man nette Menschen in der Umgebung kennen, die einem bei diesen Aufgaben helfen können: z. B. die rüstige Rentnerin im ersten Stock mit den schönen selbstgenähten Gardinen, die man bitten kann, das Loch in der Lieblingsjeans zu stopfen. Im Gegenzug dafür geht man für die alte Dame mit den geschwächten Gliedern einkaufen. Nachbarschaftsplattformen unterstützen, das soziale Miteinander in einer anonymisierten Großstadt. Seit einem dreiviertel Jahr gibt es aber auch eine Plattform, die ihre Mitglieder für diese kleinen Dienste bezahlt. Domerang heißt sie und nennt sich selbst die erste „Zurückbörse“. Gründerin Maria Mpalaoura erklärt, was damit gemeint ist.

Was unterscheidet Domerang von anderen Nachbarschaftsplattformen?

Wir sind schon wie eine klassische Nachbarschaftshilfe, aber mit einem besonderen Aspekt. Wir sind das erste Portal, das seine Teilnehmer auch bezahlt. Die Hälfte aller Einnahmen aus Werbung oder Mitgliedergebühren zahlen wir an unsere Mitglieder aus – und zwar an die, die sich für andere engagieren.

Wie kamst du auf die Idee die Plattform zu gründen?

Ich habe schon seit vielen Jahren mit Medien zu tun und ich arbeite sehr viel ehrenamtlich. Eine Idee war, dass man das verbinden kann: Ich will etwas Gutes tun und trotzdem Geld verdienen. Ich will beides. Dann sehe ich natürlich auch die gesellschaftliche Entwicklung. Es gibt immer mehr Singlehaushalte, ein immer einehmejederistdomerangnderes Städteleben und immer mehr Anonymität. Großfamilien oder Dorfgemeinschaften, die gesellschaftliche Bedürfnisse erfüllen, gibt es immer seltener. Diese Veränderungen sind so offensichtlich – also wollte ich eine Gemeinschaft gründen, die das ausgleicht. Klar, gibt es viele Nachbarschaftshilfeprotale, viele, die auch sehr gut gemacht sind, aber irgendwie sind die Aktivitäten in denen immer nicht so stark.

Und ein Anreiz durch Bezahlung, soll Domerang zu einer Plattform mit aktiveren Teilnehmern machen?

Ich dachte, es ist schon ein Risiko, dass Leute etwas dafür bezahlen müssen, aber es macht Sinn. Schließlich bekommt man für 5 € im Monat Kontakt mit Menschen und eine Dienstleistung, wie z. B. Fensterputzen. Man zahlt nur wenig, aber bekommt soviel zurück und kann auch selber noch helfen. Erst denkt man: 5 € im Monat, das ist mir zu viel, aber dann merkt man, für so wenig Geld putzt mir jemand die Fenster …

Wie wird man denn Mitglied?

Wer mitmachen will, registriert sich und zahlt ab 5 € im Monat, dafür bekommt er 50 Punkte, die kann er dann für seine Kleindienste online stellen. Wenn die Punkte ausgehen, kann man welche nachkaufen (10 Punkte für 2,50 € Anm. D. Red). Wenn er Punkte verdient, kann er sie natürlich auch einsetzen.

Was passiert mit meinen Punkten, wenn ich sie nicht benutze?

Bei Domerang geht es ums Geben und Nehmen. Die Punkte sollen online gestellt werden, für Dienste, die andere erfüllen können. Man kann sie sicher auch sammeln. Die verfallen erstmal nicht, aber nach einem halben Jahr müssen wir schonmal gucken, was man da machen kann, sonst verwässert das Geld. Aber irgendetwas ist immer: wenn einer z. B. drei Monate nichts zu tun hat, aber im vierten Monat umzieht oder die Gartensaison beginnt oder er abgenommen hat und seine Kleider müssen enger gemacht werden –dann kann er die Punkte einsetzen.

Punkte sind bei Domerang nicht gleich Punkte, es gibt zwei Arten von ihnen. Erkläre das doch mal:

Die einen Punkte, die man durch Jobs bekommt, haben mit den anderen Punkten, mit denen man bezahlt, nichts zu tun. Wir haben uns für zwei verschiedenen Namen entschieden. Die Punkte, die man einsetzt, heißen einfach „Punkte“ und die Punkte, die man einsammelt, also durch kleine Tätigkeiten verdient, heißen „ Luckys“ und nur diese werden zu Geld.

doUnd jetzt mal zu konkreten Zahlen. In wieviel Geld kann man denn seine „Luckys“ umwandeln?

Das Höchste, was wir bisher ausgeschüttet haben waren 437 €. Das Niedrigste, was wir ausgeschüttet haben waren 17 €, aber man hat auch nur 5 € bezahlt, also das rechnet sich schon. Insgesamt haben wir in den letzten neun Monaten knapp 15.000 € ausgeschüttet. Das ist auch immer online zu sehen, weil uns Transparenz sehr wichtig ist. Und von den 15.000 € hat die Community entschieden 803 € an wohltätige Einrichtungen zu spenden – das geht bei uns nämlich auch. Das Ranking und die Punkte, die man verdient, werden auch transparent auf der Seite gezeigt. Wenn man registriert ist, sieht man natürlich dazu noch die Profile, die man als unregistrierter User nicht sieht, weil wir ja die Daten schützen.

Wer nimmt denn das Angebot von Domerang wahr?

Wir merken, dass es gestresste Leute gibt, die ihre Punkte einsetzen, um sich helfen zu lassen, aber es gibt auch Schüler, Studenten, Arbeitssuchende und Rentner, also Menschen, die viel mehr Zeit zur Verfügung haben. Die sammeln aktiv „Luckys“, die am Ende des Monats zu Geld werden.

Ist Domerang ein Schritt in eine neue soziale Zukunft?

Ich glaube generell, dass sich gesellschaftlich gerade viel verändert. Der Wunsch nach Sinnhaftigkeit, sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit wächst. Ich finde, dass sehr viele soziale Unternehmen entstehen. Auch die Shareeconomy, die sich gerade entwickelt, ist ein gutes Beispiel für wachsende soziale Verantwortung – Besitzen war mal, heute wird gerne geteilt. Es ist eine gute Generation, die gerade heranwächst. Und zum Thema „Online“: es gibt Leute, die sind darauf aus andere reinzulegen, aber ich sehe schon auch, dass es eine Menge guter Sachen gibt; Fairnopoly z. B. und natürlich auch Domerang sind Schritte in die richtige Richtung.

 

Derzeit arbeiten Maria Mpalaoura und ihre Kollegin Britta Bartel noch zu zweit an ihrer Zurückbörse. In Ihrer Zukunftsvision soll es in allen deutschen Ballungszentren Domerang-Gemeinschaften geben, die voneinander profitieren, denn: „ Geben, Nehmen und Teilen kann man überall“, so Maria. Mehr Informationen dazu gibt es www.domerang.de.

 

3 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

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  3. Das ist mal eine grandiose Idee! In Zeiten, wo alles schnell-schnell gehen muss oder es einem wenigstens so vorkommt, wo immer mehr Menschen scheinbar immer weniger Zeit haben, wo Anonymisierung und Vereinsamung wachsen, ist die Idee, Gutes zu tun und anderen Menschen zu helfen, eine tolle Sache. Wenn dabei noch ein paar Taler für einen selbst herausspringen, und sei es nur die Bezahlung der eigenen Auslagen (z.B. Benzingeld), wächst die Motivation um so mehr, sich zu engagieren. Ich melde mich jetzt bei domerang.de an und hoffe, es tun mir viele andere Menschen gleich.