Einzigartige Innovationen an Sendungsformaten erwartet der_die Zuschauer_in in Portugal vergebens. Dieser augenscheinliche Mangel an Kreativität ist jedoch kein portugiesisches Markenzeichen. Weltweit geht der Trend Richtung Standardisierung.
Nach meinem letzten Artikel zu „Rising Star“, einem neuen Talentshow-Format, das dieses Jahr seine Laufbahn um die Welt begonnen hat, ging ich weiter auf die Pirsch nach neuen, interessanten Sendungen im portugiesischen Fernsehen. Leider wurde ich nicht fündig. Die anfängliche Enttäuschung mauserte sich schnell zum Antrieb nachzubohren. Ich beschloss also, das Programm der vier größten Sender (RTP 1, RTP 2, SIC, TVI) unter die Lupe zu nehmen. Ich wollte wissen, woher die Sendungsformate kommen und ob portugiesische Sender noch selbst kreatives Fernsehen gestalten. Dafür habe ich eine Stichprobe des Fernsehprogramms eines durchschnittlichen Wochenendes (Freitag bis Sonntag) analysiert, d.h. nicht des vergangenen, da Championsleague und Europawahlen doch eine Sondersituation erzeugen. Das Ergebnis zeigt euch folgendes Diagramm.
Demnach sind zwischen 53% (RTP 1) und 76% (RTP 2) des Programms nicht von den Sendern selbst erdacht und/oder produziert. Davon werden zwischen 23% (TVI) und 38% (RTP 2) außerhalb von Portugal eingekauft, z.B. von großen Media Groups wie Fremantle Media, Dori Media Group oder Endemol.
Die Sendungen, die von portugiesischen Firmen produziert und an die Sender verkauft werden, sind zum Großteil Telenovelas und Informationsformate über portugalspezifische Themen. Dabei tauchen immer wieder Namen wie Farol de Ideias, SP Televisão, Eyeworks Spain/Portugal und Videomedia Produção auf.
Zu den Programminhalten, die von den Sendern selbst erstellt werden, zählen zum Großteil verschiedene Nachrichtenformate sowie Talk- und Unterhaltungssendungen, die einen direkten regionalen oder nationalen Bezug haben (Grandes Quadros Portugueses/RTP 1, Sociedade Civil/RTP 2, Portugal em Festa/SIC, Somos Portugal/TVI).
Die international eingekauften Programmteile konzentrieren sich auf Showformate (The Voice, Rising Star, Master Chef, Quem Quer Ser Milionário, O Preço Certo, Desafio Total, Poder do Amor, …) und Spielfilme. Alle diese Shows laufen mit dem gleichen Konzept und Studioaufbau, manchmal sogar mit der gleichen Farbgestaltung und den gleichen Jingles in mehreren Ländern. Diese Elemente, die so genannte „Bibel“ eines Formats, werden als Paket inklusive Hilfestellungen und Beratungsservice bei dem_der Rechteinhaber_in eingekauft und dann länderspezifisch angepasst (Han, 2009). Hier treffen also sowohl Standardisierung, als auch Differenzierung als die zwei bestimmenden Tendenzen aufeinander. Diese Art des Formathandels minimiert Aufwand sowie Risiko und maximiert die Gewinne der Sender (Türschmann, Wagner, 2011). Warum sollten kommerziell orientierte Sender Ressourcen investieren, um selbst neue Formate zu entwickeln, wenn es die Möglichkeit gibt, bereits bestehende und erprobte Sendungen einzukaufen? Da bilden die portugiesischen Sender keine Ausnahme und liegen damit voll im internationalen Trend.
Oder sollten wir besser sagen im europäischen Trend? 67% der Käufer_innen auf dem MIPTV (Marché International des Programmes de Télévision) 2013 waren Europäer_innen. Seit 1964 findet mit MIPTV der größte „content market for co-producing, buying, selling, financing and distributing entertainment content“ statt [1]. Jedes Jahr im April werden hier die neuesten Formatideen verscherbelt, welche dann bis zum nächsten April über die Bildschirme dieser Welt flimmern. Welche Innovationen 2014 über den Ladentisch gewandert sind, werden wir in den nächsten Monaten serviert bekommen, nicht nur in Portugal.
Fernsehsender
Zuschauerzahlen
Literatur
HAN, L. (2009) – Die Globalisierung der Fernsehunterhaltung. Ein Vergleich der österreichischen „Millionenshow“ mit der chinesischen Show „Happy Dicitonary“, Diplomarbeit, Universität Wien
TÜRSCHMANN, J., WAGNER, B. (2011) – TV Global. Erfolgreiche Fernseh-Formate im internationalen Vergleich, transcript Verlag