Eine App aus Portugal nutzt die Eingaben ihrer User, um weltweit Wetterkarten zu erstellen. Dabei entstehen individuelle und höchst subjektive Berichte. Ist Wetter-Crowdsourcing ein neuer Trend, oder bloß eine alberne Spielerei?
Es ist DAS Smalltalk-Thema Nummer Eins. Egal ob beim Abendessen mit der Familie, beim Treffen mit Freunden oder beim ersten Date – über das Wetter kann immer geredet werden, und jeder hat eine Meinung dazu. Laut einer aktuellen Umfrage des Allensbach Instituts ist das Wetter mit 78% das momentan beliebteste Gesprächsthema der Deutschen, über die anstehende Bundestagswahl haben hingegen erst 29% häufiger gesprochen. Das Gesprächsverhalten dürfte in den meisten Ländern nicht viel anders sein, und so liegt es nahe, das Interesse und Mittteilungsbedürfnis der Menschen für einen verbesserten Wetter-Service zu nutzen.
Wie fühlt sich das Wetter an?
Die App Weddar greift genau diese Idee auf. Der 2011 gegründete Dienst bezeichnet sich selbst als „People Powered Weather Service“ und wirbt mit dem Slogan „Jetzt kann jeder ein Wetter-Reporter sein!“. Das Wissen und die Meinung des Kunden in den Entstehungsprozess mit einzubeziehen – genau das ist die Idee des Crowdsourcing. Und wo sollte das besser funktionieren als beim Wetter?
Ich mache den Selbstversuch: Die App ist flott auf dem Smartphone installiert und in Sekundenschnelle hat das Gerät erkannt, dass ich mich in Lissabon befinde. Auf der Karte der portugiesischen Hauptstadt befinden sich zwei Einträge in Form von farbigen Wolken: einmal „gut“ (grün) und einmal „perfekt“ (gelb). Insgesamt neun solcher „Gefühle“ kann man in einen Report eingeben, dazu vier Wetterlagen (Wolken, Regen, Wind, Schnee).
Gerade die erste Kategorie zeigt die Subjektivität der Berichte: Während ich bei 37 Grad im Schatten in meinem Apartment schwitze, findet nur ein paar Kilometer entfernt ein User das Wetter „perfekt“. Der Herr oder die Dame sitzt wohl gerade gemütlich in einem schattigen Café und genießt ein kühles Bier. Doch genau diese Subjektivität sei das Erfolgsmodell von Weddar, sagt Mitbegründer Ricardo Fonseca. Er glaubt, dass die Leute mit den traditionellen Wetterdiensten unzufrieden sind und sich nach persönlichen und lokalen Wetterberichten sehnen. Zudem erlaube die App es den Nutzern, von den entlegensten Orten der Welt zu berichten, „die sonst kein anderer Wetterdienst erreichen kann“.
Mit Innovation den Ruf Portugals verbessern
Überhaupt spielt der User bei Weddar die zentrale Rolle. Es gibt die Option, den Dienst mit Facebook zu verknüpfen, man kann ein persönliches Profil anlegen und für Wetterberichte gibt es Punkte. Der momentan Führende der Bestenliste hat schon sagenhafte 21.734 Berichte geschrieben. Ungeachtet der Frage, woher dieser Mensch die Zeit dafür nimmt, zeigt das Ranking, dass Weddar bereits über einen sehr aktiven Nutzerstamm verfügt.
So richtig erfolgreich kann die App aber erst werden, wenn noch deutlich mehr Nutzer dazukommen. Fonseca und sein Team wollen dazu weitere Anreize schaffen, bald soll man Fotos der aktuellen Wetterverhältnisse teilen können. Die Idee zu Weddar war dabei auch durchaus politisch motiviert. Fonseca stammt, wie der Rest des Teams, aus Portugal, und er sagt, mit der App habe man auch ein Zeichen gegen die negative Berichterstattung über sein Land setzen wollen. Mit Weddar wolle er den Menschen zeigen, „dass Portugal mehr ist als nur IWF-Rettungen, Krise und Sonne“.
Ob die App sich letztendlich durchsetzen wird, ist schwer zu sagen. Man sei aber auf jeden Fall gerüstet, so Fonseca, ein Business-Plan stehe bereit. Darrel Etherington, von Techcrunch.com, ist zuversichtlich, dass Wetter ein neuer Crowdsourcing-Trend wird. Er glaubt, dass die Einbeziehung der Nutzer erfolgreich sein wird, da sie ein „genaueres, kompletteres und schnelleres Wetterbild“ ermöglicht. Was Weddar allerdings nicht kann, ist korrekte Wettervorhersagen treffen. Aber hier liegen ja auch die traditionellen Wetterdienste oft genug daneben.
Neugierig geworden? Weddar im AppStore und für Android
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Fotos: Logo Weddar.com; 3 iPhone Screenshots
Hi Leonard mir ist aufgefallen, dass Du gar nicht den Blogartikel bei dem Dossier eingeordnet hast, ich hab das mal schnell gemacht, ja?
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