Mit ihrer Kollegin Camila gibt Mireya Echeverría Quezada den Podcast Camila & Mireyas podcast heraus. Die beiden jungen Frauen zierten dieses Jahr das Cover von Schwedens beliebtester feministischen Kulturzeitschrift „Bang“ und zeigen am eigenen Beispiel, wie intersektioneller DIY-Journalismus aussehen kann. Ich habe mich mit Mireya über Schwedens Netzfeminismus, die Medienlandschaft und Sprache unterhalten.
Heng: Was für feministische Medien konsumierst du?
Mireya: Es ist eher so, dass ich private Autor_innen anstatt großer Medien lese, da die wenigsten eine durchgängig feministische Perspektive bieten. Dafür gibt es in jeder großen Zeitung mindestens eine Stimme, die nicht davon ausgeht, dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus kommen, sondern alle Menschen von der Erde sind und dieselben Recht haben sollte. Also halte ich meine Augen und Ohren nach ihren Texten in sozialen Medien, wenn eine Zeitung aufschlage oder Radio höre offen. Die Anzahl an Autor_innen, die eine intersektionelle Perspektive haben, ist noch geringer. Aber das macht mir nicht immer so viel aus. Ich lese zum Beispiel auch gern Texte von liberalen Autor_innen, deren Analysen und Meinungen ich zwar nicht teile, die ich aber trotzdem respektiere.
Wer sind deine Lieblingsblogger_innen?
PK-MAFFIAN, ein Blog der von Judith Kiros betrieben wird, und Falskheten, von Valerie Kyeyune, sind zwei von Schwedens besten Bloggerinnen. Sie sind witzig, klug und scharfsinnig. Es war so schön, über sie zu stolpern und zu entdecken, dass sie genau die gleichen Ziele wir Camila und ich haben. Aber sie kämpfen andere Kämpfe und drücken sich auf eine andere Art aus. Ich bin so unglaublich dankbar darüber, dass es sie gibt. Wir lernen viel von ihnen und fühlen uns weniger alleingelassen in Debatten.
(Anm.: Falls jemand von euch Schwedisch versteht, gibt es hier eine interessante Diskussion zwischen Camila, Mireya, Judith und Valerie.)
Findest du, dass Schwedens feministische Blogosphäre zu weiß ist?
Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich einen super Überblick über die schwedische Blogosphäre hätte. Aber ich die restliche mediale Welt ist dominiert von weißen Menschen und diese Welt wird ja auch auf feministischen Blogs gespiegelt.
Wie stark wird Rassismus in Schwedens queeren_feministischen Kreisen thematisiert?
Es sollte ein wichtiges Thema sein, aber das ist es leider nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass zum Beispiel in queeren Kreisen viel Solidarität mit Menschen ohne Papieren gilt und antirassistische Kämpfe mitbestritten werden. Dennoch ist Schwedens queere Welt akademisch fundiert und hat sich den aktivistischen Teil später angeeignet. Dringt der akademische Teil durch, kann die queere Bewegung hier gegenüber der Arbeiter_innenklasse und vielen nicht-weißen Menschen aus der Unterschicht ausgrenzend sein. Hierüber habe ich sowohl mit queeren als auch mit feministischen Aktivist_innen viele Diskussionen geführt, da es in diesen Welten schon immer Underdog-Perspektiven gegeben hat und geben wird. Aber eine so starke Identität zu haben und gegen Strukturen zu kämpfen schließt nicht aus, dass eins den eigenen Privilegien wie dem Weißsein oder der Mittelschicht anzugehören gegenüber blind sein kann. Na ja, es ist schwierig, sich da zu unterhalten, aber ich verkehre trotzdem innerhalb dieser Kreise. Was natürlich schön ist. Ich bin schließlich Feministin und im höchsten Grade mit queeren Aktivistin_innen solidarisiert.
Findest du, dass Schwedisch durch neue Wörter wie dem geschlechtsneutralen Pronomen „hen“ eine progressive Sprache ist?
Na ja, schon. Gerade „hen“ ist vergleichsweise sehr schnell ins Schwedische eingeflochten, aber das liegt auch daran, dass wir anfangs überhaupt kein geschlechtsneutrales Pronomen hatten und uns dieses Wort aus dem Finnischen angeeignet haben. Ansonsten gibt es viele aktive Stimmen, die sich gegen neue Fremdwörter aus der Umgangssprache stark machen. Dabei lässt sich die Entwicklung einer Sprache nicht schützen, Sprache ist lebendig und verändert sich ständig.
Wie ist es mit rassistischen Wörtern in der Sprache, werden solche häufig verwendet?
Wörter wie „svartskalle“ (eine nicht-weiße oder nicht „nordisch“ aussehende Person), „blatte“ (dt. „Kanacke“) und „invandrare“ (Einwandernde) sind auf verschiedene Art geladen. Es kommt immer drauf an, wer sie verwendet und in manchen Fällen werden diese Wörter zu rassistischen Ausdrücken. „Svartskalle“ und „blatte“ sind Wörter, die ich als Selbstbezeichnung verwende, mit denen ich aber auch andere PoC benenne. Ich selbst bin keine weiße Person. Das N-Wort hingegen hat schon immer eine rassistische Bedeutung gehabt und ich wäre vorsichtig mit ihm, würde ich es überhaupt anwenden.
Gerade das N-Wort ist ein Wort, über das es viele Facebook-Gruppen gibt, in denen alberne Menschen darüber diskutieren, warum dieses und andere verletzende Wörter benutzen dürfen. Während meiner Kindheit war es ein Wort, das oft als Bezeichnung für schwarze Menschen verwendet wurde. Schokoladenkugeln hießen N-Kugeln. Trotzdem wussten alle, dass es irgendwie falsch war. Es gibt eine Szene in einem schwedischen Kinderfilm namens „Sunes sommar“, in der die Beziehung zwischen Schweden und dem N-Wort gut illustriert wird. Der Familienvater steht in einem Kiosk, in dem es Schokokugeln gibt. Eine Gruppe agro-amerikanischer Basketballspieler betritt den Laden und fragt, wie Schokokugeln auf Schwedisch heißen. Der Vater fängt an zu sagen „Neg-„, verstummt aber von selbst. Er merkt selbst, dass es unreflektiert ist, Schokokugeln „N-Kugeln“ zu nennen. Das merken wahrscheinlich alle, die das Wort trotzdem benutzen, aber sie scheißen drauf, weil sie Idioten sind.
Zusammen mit Camila gibst du Podcasts heraus. Weshalb habt ihr euch gerade für dieses Medium entschieden?
Es ist relativ einfach, einen Podcast zu machen. Du brauchst nur ein Gerät, das fähig ist, Sprachaufnahmen zu machen, ein Kabel, um die Geräusche auf den Rechner zu transportieren und eine Audiosoftware, die es kostenlos im Netz gibt. Dann kann das Projekt auf eine Seite hochgeladen werden. Was uns dazu inspiriert hat, Podcasts zu machen, war eine Masse an Typen-Duos, die welche gemacht haben. Und wir dachten uns: Was zur Hölle, das können wir auch.
Fühlt ihr euch als Sprachrohr für nicht-weiße, queere Frauen in Schweden angesprochen?
Nicht auf die Art und Weise, dass ich denken würde, wir repräsentierten nicht-weiße Queers in Schweden. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir, auch wenn wir nicht überall so viele Hörer_innen haben, zu den normbrechenden Stimmen gehören, die sich ein bisschen hervorheben. Aber Camila und ich sind ja nur zu zweit und haben keinen Anspruch darauf, für alle zu sprechen, sondern nur für uns selbst. Dann ist es natürlich schön, dass Menschen, die sich in anderen Medien nicht repräsentiert fühlen, mit uns identifizieren können.
Von der relativ demokratischen Blogosphäre in den Journalismus: Wie einfach ist der Einstieg es für nicht-weiße Frauen? Gibt es viele, die in großen Medien schreiben?
Schwedische Medien sind UNGLAUBLICH WEISS. Camila studiert an der Hochschule Journalismus und ist quasi der Quoten-Kanacke ihres Studiengangs. Und sie beschwert sich oft darüber. Dass es so aussieht, ist ein enormes, demokratisches Problem und ich werde schon unglaublich wütend, wenn ich nur darüber spreche. Schwedische Medien können nämlich so UNGLAUBLICH SELBSTGEFÄLLIG und ungeheuer unkritisch sein. Es ist oft eine schwermütige, weiße Mittelschichtsparty. Es ist genauso cool, diese Medien zu konsumieren, wie es hier schon klingt. Also todestrist.
Wie zufrieden seid ihr mit Schwedens Mainstream-Zeitungen, wenn ihr sie auf einer Skala von 1 („Schwedens Medienwelt ist scheiße und sollte komplett umgekrempelt werden!“) bis 10 („Super zufrieden, es muss sich nichts ändern und alle Länder sollten so sein wie Schweden!“) bewerten könntet?
3. Ich bin nicht besonders entzückt von den schwedischen Mainstream-Medien. Sie sind langweilig, aber ich bin so eine, die das isst, was auf den Teller kommt. Also konsumiere ich sie genauso wie alle anderen. Aber mir wird vom Essen oft schlecht.
Sind feministische Medien schwer zugänglich? Wie alt warst du zum Beispiel, als du zum ersten Mal „Bang“ (feministische Kulturzeitschrift) gelesen hast?
Das muss ungefähr während meines 15. Lebensjahres gewesen sein, als ich zum ersten Mal über Bang gestolpert bin. Aber ich bin nicht vor Freude ausgerastet oder so, obwohl ich mich über die Zeitschrift gefreut habe. Es fiel mir immer etwas schwer mit ihr, sie ist ein bisschen zu kompliziert für mich. Zu theoretisch und akademisch. Trotzdem bin ich sehr glücklich darüber, dass es sie gibt und gegeben hat. Für mich geht es im Feminismus auch um Dinge wie Klassenkampf, Antirassismus, LGBTQ-Kampf und Begehren. Das perfekte Medium gibt es noch nicht. Deshalb müssen wir selbst eins machen. Und es wird richtig fett. Haltet die Augen danach offen.
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