Linköping,
Trendblogger-Jahrgang 2013/2014 Modeblogs mit Instagramfotos von Vintage-Läden und Zimtschnecken, gepaart mit einem Hauch Feminismus: Mit diesem Eindruck von Schweden begebe ich mich für ein Semester nach Linköping. Nicht nur Land und Leute, sondern auch User und Medien werde ich dort beobachten und für euch beschreiben. Ob die Leute da wirklich so schön sind, wie das Internet wirken lässt, ob wirklich alles sofort mit dem Smartphone fotografiert wird, ob Schweden wirklich das europäische Musterland schlechthin ist? Mythen hin oder her, ich werde es austesten.


Hair Riot 2.0

Während im deutschen Internet diese schäbigen Necknominationen herumkursieren, widmet eins sich in Schweden der Körperbehaarung. Ob auf Facebook, Twitter oder Instagram, es gibt starken Widerstand gegen sexistische Körpernormen. 

"Wie jetzt, Frauen* wachsen Haare unter den Armen? Das hab ich aus Pornos aber anders in Erinnerung!" (Quelle)

„Wie jetzt, Frauen* wachsen Haare unter den Armen? Das hab ich aus Pornos aber anders in Erinnerung!“ (Quelle)

Dabei ist die aktuelle Aktion Ta håret tillbaka 2.0 die Wiederbelebung einer Debatte von 2012. Auf dem Melodifestival, dem schwedischen Äquivalent zu Unser Star für Oslo, wurde eine Frau aus dem Publikum ungewollt berühmt. Beim Jubeln streckte sie die Arme in die Luft und siehe da, nanu, nana, Achselhaar, wie unerwartet und schrecklich! Die Kameraleute ließen es sich nicht nehmen, lange Aufnahmen von den Achselhöhlen zu machen. Diese wurden auffällig lang eingeblendet.

Ein Typ fand es witzig, einen Screenshot hochzuladen, um sich öffentlich über den Körper der Frau lustig zu machen. Das Foto ging viral, im Anhang sexistische Kommentare darüber, wie ekelhaft dies sei, dass es sich für eine Frau nicht gehöre und dass sie sich schämen müsse. Wer sich nicht rasiere, verdiene einen solchen Shitstorm, schrieben sie.

Um Solidarität und Rückhalt zu symbolisieren, entstand auf Facebook die Aktion Ta Håret Tillbaka, bald auch auf Englisch unter Take your hair back! Frauen* fotografierten sich mit unrasierten Achselhöhlen und luden die Fotos auf Facebook, Instagram oder Twitter hoch. Die passenden Hashtags waren #TaHåretTillbaka und #HairRiot.

Auch dieses Jahr, ironischerweise im selben Fernsehprogramm, kam es zu ähnlichen Ausschreitungen. Die unrasierten Achselhöhlen der Moderatorin Nour El Refai schafften es vor die Kamera. Quittiert wurde dies von William Hahne, Mitglied der rechtspopulistischen Partei Sverigedemokraterna. Mit einem herabwürdigenden Tweet ebbte der Shitstorm von 2012 wieder auf.

Jetzt fordert Zandra Hedlund mit den alten Hashtags erneut Haarakzeptanz. Patriarchale Körpernormen werden immer noch reproduziert. Frauen* wird eingebläut, dass ihre Körperhaare ekelhaft, hässlich und unhygienisch seien, was selbstredend Quatsch ist.

Auf Facebook laden Frauen* erneut Fotos von ihren Achsel-, Bein-, Bauch- oder Vulvahaaren, von Augenbrauen und Armen hoch. Für Trolls ist das natürlich gefundenes Fressen. Dabei sind es nicht nur Typen, die abwertende Kommentare unter die Bilder posten, sondern vermehrt auch Frauen*. Anstatt sich untereinander zu solidarisieren, wird sich von denen differenziert, die ihr Körperhaar akzeptieren. Normreproduktion wird mit „Geschmackssache“ legitimiert, jegliche Barrieren des Respekts werden überschritten, um diese „Meinung“ kundzutun.

Es ist traurig, dass für Selbstverständlichkeiten immer wieder gekämpft werden muss. Natürlich ist es okay, rasierte Körper zu bevorzugen. Es ist aber nicht okay, anderen zu sagen, wie ihre Körper auszusehen haben. Not your body, not your business.

Folge der Autorin @sassyheng auf Twitter.

4 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. Pingback: Mädchenmannschaft » Blog Archive » Schwarzgeld und Geiz, Klassismus und Körperbehaarung – die Blogschau

  2. Erinnert mich an das Video&Song von Amanda Palmer “ Map of Tasmania“ das sich mit dem Thema Schambehaarung beschäftigt.

  3. Pingback: Twitter Wars, Neues in der Wikipedia und ein Webcomic – der Linkspam

  4. Pingback: Pub(l)ic Hair: The Personal Is Political | genderfail