London,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013/2014. In ein Land ziehen, in dem man niemanden kennt, in dem man sich nicht auskennt und dessen Sprache man nur bedingt gut spricht ist eine blöde Idee? Möglicherweise. Habe ich es trotzdem gemacht? Auf jeden Fall! Seit Ende Januar lasse ich mich von Valencia verzaubern und gehe mit besonders offenen Augen und Ohren durch die Straßen, um eine ganz spezielle Kultur zu erleben und gelegentlich auch auf die eine oder andere Außergewöhnlichkeit zu stoßen. Ob ich dabei nur auf siestaliebende Spanier oder bahnbrechende Erneuerungen treffe, kann bei den Trendbloggern nachgelesen werden. Update 01/2014: ... und so schnell ist man dann auch wieder zurück in der Heimat - det dufte Berlin - und siehe da, berichtenswerte "Trends" gibt es überall.


Contributoria – Eine Plattform von und für Journalisten

Man studiert jahrelang, macht Praktika, ein Volontariat usw. um später dann festzustellen, dass nicht die vielen Seminare, sondern die finanziellen Engpässe als Student einem am sinnvollsten fürs Leben geschult haben. Man hat sich schon längst damit abgefunden, auch als ausgebildeter Journalist wohl nie wirklich viel Geld zu haben, aber dafür reich an Erfahrung zu sein. Trotzdem kommt ab und zu eine Idee auf, die vielleicht doch dazu führen kann, den Geldbeutel etwas zu füllen. Eine neue Strategie zur Vermarktung von Artikeln stammt von der Plattform Contributoria aus London

contirbutoria.

Die Bezahlaufforderung für die Lektüre von Onlinezeitungsartikel ist kein neue Methode mehr, sondern eher der Versuch auch im überwiegend kostenfreiem Internet noch irgendwie ein paar Cent mit seinem Gehirnschmalz zu verdienen – irgendwie hat diese Methode oft den Beigeschmack einer Spende an Bedürftige oder den eines ermahnenden Zeigefingers, da man gerade geistiges Wissen kostenfrei genießen durfte. Ein anderes Bezahlmodell haben vor ein paar Wochen die Krautreporter ausprobiert. Sie sind auf den Trendzug „Crowdfunding“ aufgesprungen und wollen damit ihren innovativen Journalismus unabhängig von Verlagen etc. voranbringen – hier hat der Leser dank des Onlinemagazins, das nun in den Druck gehen soll, zwar schon eine Idee vom Produkt, aber man kauft mit dem Abo doch auch irgendwie die Katze im Sack. Die Strategien sind bekannt:taz Bezahlmodel einen Artikel lesen oder anlesen und bezahlen (oder auch nicht) oder erst finanziell unterstützen und hoffen, dass was Gutes bei rauskommt. Eine ganz neue Methode verfolgt die Journalistenplattform Contributoria. Die Journalisten Matt McAlister, Sarah Hartley and Dan Catt haben 2012 eine Plattform entwickelt, die beide Methoden vereint. Contributoria bietet eine neue Art von Zusammenarbeit, Wettbewerb und Verdienstquelle für Journalisten.

Contributoria ist eine Gemeinschaftsplattform für Journalisten

Bei Contributoria gibt es zwei Seiten  – die der Autoren und die der Mitglieder. Ein Autor preist seine Geschichte an, indem er einen knackigen Artikelvorschlag schreibt: kurze informative Überschrift, aussagekräftige Zusammenfassung des Themas, Auflistung der Interviewpartner und Beschreibung des Arbeitsaufwands sowie der entstehenden Kosten (Reisekosten, Kosten für Bildquellen etc.). Er muss das Lesepublikum von der Relevanz seines Themas überzeugen, ohne zu viel zu verraten. Aus der Kostenaufstellung ergibt sich, wie hoch die Unterstützung sein muss, die der Autor von der Contributoriagemeinschaft benötigt, um den Artikel fertigzustellen. Diese Unterstützung erhält er jedoch vorerst nicht in Geld, sondern in Punkten. Wenn die benötigte Punktzahl erreicht wird, erhält der Autor den Zuschlag.

Die Mitglieder entscheiden contributoriainfographic-512x1024welcher Artikel in der nächsten Ausgabe erscheint. Ein Monatsabo gibt es in drei Kategorien von kostenfrei bis £5.99 (7,60€) mit jeweils 50 – 250 Punkten. Diese Punkte können nach Belieben auf die Artikelvorschläge aufgeteilt werden, die als unterstützenswert angesehen werden. Die erhaltenen Punkte werden in ein Honorar für den Autoren umgerechnet. Wieviele Pfund ein Punkt wert ist, differiert je nachdem, wie wieviele Spenden, Sponsoreneinkünfte und Mitgliedergebühren eingegangen sind. Derzeit sind über 2.000 Mitglieder registriert. Insgesamt konnten bisher £58,4416 (73,4023€) an die Autoren ausgezahlt werden.

Doch genau genommen, stehen sich bei Contributoria nicht zwei Parteien gegenüber. Vielmehr ist es eine Plattform, bei der der gemeinsame Austausch wichtig ist – ein virtueller Co-Working-Platz. Die Gemeinschaft und die Vernetzung sollen zählen. Was sich z. B. darin äußert, dass Mitglieder aufgefordert sind, Artikel vor der Veröffentlichung auf der Homepage zu lesen, Editionsvorschläge zu machen, zu lektorieren und zu diskutieren. Ganz im Sinne einer Co-Opetition.

Ein Projekt von und für Journalisten – ausschließlich?

Das Startkapital hat Contributoria beim „International Press Institute News Innovation Contest“ gewonnen, der von Google unterstützt wird. Derzeit wird die Plattform durch Mitgliedergebühren, Spenden und der Guardian Media Group finanziert. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, dass die Artikel, die bei Contributoria erscheinen, verschiedenen Tageszeitungen sowie Fachzeitschriften angeboten und an sie weiterverkauft werden. Die Rechte bleiben beim Autoren. Der Gewinn aus einem Weiterverkauf geht vollständig an diesen. Die enge Verbindung zum Guardian ist dabei keine Garantie für eine Übernahme eines Artikels ins Blatt, aber dennoch ein Anreiz und eine gute Möglichkeit der Vernetzung.

Contributoria ist ein Projekt für Liebhaber des Journalismus. Die professionelle und fachlich hochwertige Ausrichtung der Seite lässt vermuten, dass, obwohl es keine Themenvorgaben gibt, ein Artikelvorschlag über Justin Bieber, Fußball oder Gartengestaltung nie genug Punkte erhalten würde, um in Produktion zu gehen. Und vielleicht liegt hier auch die Krux – es ist ein Projekt von Journalisten für Journalisten. Es ist zweifelhaft, dass die Plattform auch beim Otto Normalverbraucher Anklang findet und letztendlich scheint dies auch gar nicht gewollt zu sein. Es ist eine Möglichkeit, mit der sich Journalisten untereinander finanzieren, bei dem aber die erweiterte Öffentlichtkeit vorerst außen vor gelassen wird.