Eines der Gesichter der blühenden Start-Up Szene in Stockholm: Patrik Kloz
In Stockholm, DEM Mekka für medienaffine junge Kosmopoliten, liegt die Innovation förmlich auf der Straße. Ich bin erst vor ein paar Stunden in der schwedischen Hauptstadt gelandet, da finde ich sie punktgenau wie eine Online-Suchmaschine. Oder sie findet mich.
Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch die Altstadt esse ich in einem kleinen Restaurant draußen in der Fußgängerzone zu Abend. Am Nebentisch sitzen zwei junge Schwedinnen: Sie haben ihre iPhones vor sich auf dem Tisch liegen und schlürfen, chic gestylt wie sie sind, ihren Kaffee. Ich esse meine Pasta und denke mir nichts weiter. Ein paar Minuten später höre ich hinter mir einen jungen Mann, der sagt
„hey, we just created this new app and would like to know if you want to test it“.
Bingo! Ein Lächeln huscht mir über das Gesicht.
Ich drehe mich zur Seite und sehe den jungen Mann, der vor den beiden Frauen auf einem Stuhl sitzt und strahlend ein MacBook in der Hand hält. Die jungen Schwedinnen scheinen gelockt und hören ihm gebannt zu.
Die Idee: Ein virtueller Kleiderschrank, der sich die heißbegehrten Objekte merkt
Mit Begeisterung erklärt der junge Mann mit dem Namen Patrik Kloz seine neueste Kreation: Eine Shopping-App für Kleidung. Sie zeigt dem User einen virtuellen Kleiderschrank und ermöglicht es ihm – ganz bequem – begehrte Produkte zu markieren und sie personalisiert im Kleiderschrank zu speichern.
„The Dreamcloset“
soll das Ganze heißen. Und es soll das Online-Shopping revolutionieren.
Eine Revolution des Online-Shopping?
Der User richtet sich zu allererst einen virtuellen Kleiderschrank ein. Dafür steht eine Reihe von Modellen zur Verfügung, wie beispielsweise ein begehbarer Kleiderschrank. Wem das zu langweilig ist, der kann ein Foto von seinem eigenen Zimmer oder seinem eigenen Kleiderschrank hochladen. So wird das Online-Shopping zum persönlichen Erlebnis.
Trifft der User beim Surfen auf ein Produkt, das ihm besonders gefällt, so kann er dies sofort festhalten. Der virtuelle Kleiderschrank öffnet sich mit nur einem Klick und das Objekt der Begierde kann in eines der Regale gezogen werden.
Im Laufe der Zeit sammeln sich viele begehrte Kleidungsstücke im „Dreamcloset“ – und bleiben jederzeit verfügbar. Mit nur einem Klick kann der User die Website mit dem Produkt öffnen und bestellen. Oder er kann seine zukünftigen Schätze gemeinsam betrachten: Passt die Handtasche farblich zu den Schuhen? Welche Kette könnte mit dem markierten Kleid gut aussehen? Ein virtueller Kleidungsschrank, der die Fundstücke des Online-Window-Shoppings anzeigt.
Junge Web- Designer, App- Entwickler und Medientrendsetter lauern an jeder Ecke
Meine vermeintlich zufällige Begegnung mit den Entwicklern des „Dreamcloset“ ist kein Zufall: Patrik Kloz und sein Team sind ein sehr gutes Beispiel für diese Garde kreativer Medienmenschen in Stockholm. Gerade erst vergangene Woche hat ein neuer Space für junge Start-Ups in Stockholm seine Pforten eröffnet:
das „SUP46 – Start-Up People of Sweden“.
“SUP46″ – der neueste Space für die Start-Up Community in Stockholm
Dort treffen sich junge medienaffine Menschen mit Ideen, um ihre Projekte konkret in die Tat umzusetzen und sich gegenseitig zu unterstützen. So haben es auch Patrik und seine Kollegen Sheraz Sharif und Kaviraj Murgesan gemacht. Für genau 48 Stunden haben sie den Raum und das Equipment zur Verfügung gestellt bekommen und in einem Hackathon die App in nur zwei Tagen entwickelt.
„Sheraz und Kaviraj haben diese App in 48 Stunden entwickelt, fast ohne Schlaf“, erklärt Patrick, der den beiden hilft, die App zu promoten und weibliche Testpersonen sucht.
„Lean prototyping“ – frisch kreierte Produkte werden draußen auf der Straße gestestet
Eine gern benutzte Methode der jungen Web-Designer und Entwickler: Das “Lean Prototyping”
Was Patrik und seine „tech enthusiats“, wie sie sich selbst nennen, an diesem Sonntag Abend in den Straßen von Stockholm machen, hat einen Namen. Denn neu entwickelte Apps müssen an die potentiellen User gebracht werden. Es steckt eine Strategie dahinter. „Lean prototyping“ oder auch „fast prototyping“ nennt sich diese Methode. Dabei wir ein ganz frisch entwickeltes Produkt, wie beispielsweise eine App, sofort draußen auf der Straße an potentiellen Usern getestet. So können die Entwickler_innen sofort feststellen, ob ihre Ideen ankommen und Interesse erweckt. Je schneller das Produkt promotet werden kann, umso schneller erhält es Feedback. Auf Grundlage dieser Rückmeldung können die Entwickler wiederum ihr Produkt verändern und weiterentwickeln.
Im Fall der „Dreamcloset“- Apps, die noch in den Kinderschuhen steckt, fragen Patrik und sein Team Passantinnen zwischen 16 und 25, ob sie diese den App testen möchten. Bei Interesse, bekommen die Damen den Prototypen der App per Email zugeschickt und testen ihn für ein paar Tage. Danach füllen sie einen Fragebogen aus und senden ihn zurück an Patrik. Anhand der Ergebnisse wird die App anschließend weiterentwickelt.
Ein gutes Beispiel für die Start-Up-Szene in Stockholm
Und so funktioniert die rasant wachsende und sich wandelnde Start-Up Szene in Stockholm: Sie lebt mit den Menschen und all ihren Bedürfnissen. Die hippe und trendhungrige Stockholmer Jugend ist ein ideales Publikum – sie greifen mit großem Interesse die neusten Ideen der kreativen Medienköpfe auf. Und diese lesen den Usern der schwedischen Hauptstadt die Wünsche von den Augen ab. Ist der Prototyp erstmal entworfen, wird er sofort weiterentwickelt und den Bedürfnissen der User angepasst. Immer mit einem Ziel: Das Leben noch einfacher und bequemer zu machen. Und dank der freshesten Ideen – ganz nebenbei – sehr cool auszusehen.
Fotos: Patrik Kloz, fotografiert von Isabel Lerch in der Stockholmer Innenstadt// Facebook Screenshot von “SUP46″// Schaubild aus dem Smashing Magazine, Artikel: “Design Better And Faster With Rapid Prototyping” von Lyndon Cerejo, erschienen im Juni 2012