Brüssel,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 Goedentag, Bonjour und Hallo aus BRÜSSEL. Irgendwo zwischen urigen Frittenbuden, diversifizierten Bierkneipen, geheimnisvollen Gassen und Europa´s Gemäuern - den Regenschirm darf ich nicht vergessen – verirre ich mich auf dem Nachhause-Weg von der Uni. Die nassen Kopfsteinpflaster glänzen. Die frische Brise von der See kühlt . Wolang weht der Wind hier in Sachen Medientrends? Ein Jahr lang gehe ich auf Entdeckungsreise.


VoteMyLink: mehr Demokratie im Content Online Sharing- mehr Demokratie für Europa

Das Europäische Parlament, von den EU-Bürgern direkt gewählt, ist eine der demokratischsten Institutionen in der EU. Doch hat sie mit viel Desinteresse, mangelnder Legitimität und Misstrauen in der EU-Bevölkerung zu kämpfen. Ausgerechnet aus Großbritannien, wo die EU-Skepsis am größten ist, kommt ein StartUp, welches das demokratische Defizit in der EU verringern könnte: VoteMyLink ist eine Plattform, die es Gleichgesinnten ermöglicht, sich online zu gruppieren, relevante Inhalte auszutauschen und darüber abzustimmen.

Das Europäische Parlament, mit Sitz in Brüssel, Straßburg und Luxemburg, ist eines der demokratischsten Organe in der Europäischen Union und weltweit einzigartig. Die derzeit 754 Abgeordneten des Parlaments werden von den europäischen Bürgern alle fünf Jahre direkt gewählt. Hier abgebildet: Altiero Spinelli-Gebäude in Brüssel.

Lange Zeit hatte das Parlament mit dem Vorwurf zu kämpfen, nicht ausreichend legitimiert zu sein. Der Institution wurde geringes Gewicht zugeschrieben und durch die Krise wurden das demokratische Defizit, die Skepsis und Misstrauen noch größer.

Doch dass das Europäische Parlament in den vergangenen Jahren einen Zuwachs an Mitbestimmungsrechten erfahren hat und heute so mächtig ist wie nie zuvor, scheint niemanden so richtig zu interessieren. Gerade mal 43% der EU-Bürger nahmen von ihrem Europa-Wahlrecht 2009 Gebrauch.

Das Misstrauen gegenüber dem Europäischen Parlament ist in Großbritannien am größten. Doch ausgerechnet dort, wo gerade einmal jeder Vierte an den Europawahlen teilnimmt, ist eine Idee geboren, die die Kommunikation zwischen den EU-Bürgern und seinen Vertretern, den Members of Parliament (MEPs), verbessern soll. VoteMyLink ist eine Plattform, die es Gleichgesinnten ermöglicht, sich online zu gruppieren, über relevante Inhalte auszutauschen und darüber abzustimmen.

VoteMyLink- more democracy in online content sharing

Photo from 9 May 2013

Beverley Eve und Matti Rahati, Mitbegründerinnen von VoteMyLink, stehen vor dem EU-Parlamentsgebäude in Brüssel. Von der Frage geleitet, wie man das online sharing demokratischer gestalten kann, entwickelten sie eine Social Media Plattform, die sie dem Europäischen Parlament als Service anboten.

 

Die Idee wurde vor einem Jahr geboren, als vier Freunde, darunter Matti Rahati und Beverley Eve, zusammenkamen. In einem Gespräch mit den beiden jungen Unternehmerinnen erzählten sie, wie die Idee zu VoteMyLink entstanden ist.

Sie machten sich Gedanken darüber, wie man seiner Stimme im Internet mehr Gehör verschaffen kann. Durch persönliche Erfahrungen in der Arbeit für Hilfsorganisationen, kannten sie das Problem, um Aufmerksamkeit und Gehör zu kämpfen, nur sehr gut. „Das Internet stellt zwar eine großartige Plattform dar und hat vielen Menschen eine Stimme gegeben. Doch ist es sehr laut geworden im Netz und als User ist es schwierig geworden, gehört zu werden”, so Beverley.

Die beiden Frauen, beide Anfang dreißig, fragten sich, wie man Online-Sharing demokratischer gestalten könnte. “Wir schauten uns an, wie sich User über relevante Inhalte austauschen und wie man diesen Austausch besser strukturieren könnte, in dem man z.B. Schwerpunkte setzt mit Intra-spaces, um bestimmte Themen aufzufangen.”

Mit dieser simplen Idee wandten sich die Gründer des jungen StartUp an britische Universitäten, um mit Experten das Konzept weiter zu entwickeln und technisch umzusetzen.

 

Wie funktioniert es?

VoteMyLink_Beispiel

Ein Beispiel: Als VoteMyLink- User und Mitglied der Gruppe “Stop Animal Violence” stoße ich auf ein schockierendes Video über Pferde-Schlachthöfe und poste den Link innerhalb meiner Gruppe. Mit einem Statement erläutere ich meine Haltung und warum dieser Inhalt von Relevanz ist. Anschließend gebe ich den Inhalt zur Abstimmung mit der Frage, ob dieser Inhalt nicht Anlass zu einem europaweiten Pferdefleischverbot darstellen soll. Zwei Optionen zur Abstimmung gebe ich zur Verfügung, z.B. (JA) die EU soll ein europaweites Pferdefleisch-Verbot verabschieden und (NEIN) kein Pferdefleischverbot.

 

“Auf diese Weise erfährt dieser Inhalt eine Bewertung durch Gruppenmitglieder, die unterschiedliche Meinungen zu einem Thema besitzen. Dadurch demokratisieren wir das Online Content Sharing”, erklärt Matti Rahati.

Innerhalb der Gruppe gibt es einen ´group leader´, der die Gruppe unter einem bestimmten Interessenfeld gründet und zusammenbringt. Der Gruppenleiter ist ein Experte, ein ´thought leader´ auf seinem Gebiet, und das kann entweder ein Blogger mit Spezialgebiet oder ein MEP sein.

“So entsteht eine Kommunikation in zwei Richtungen. Zum einen von Seiten des Gruppenleiters, der seine Mitglieder informiert und abstimmen lässt, und von der anderen Seite die Mitglieder, die Inhalte posten, Abstimmungen initiieren und von den Teamleadern gehört werden.”

Wie Abgeordnete und Bürger von VoteMyLink Gebrauch machen könnten

“MEPs wollen mit den Bürgern in ihren EU-Ländern kommunizieren”, erklärt Matti von VoteMyLink, “sie wollen nicht nur gehört werden, sondern möchten auch die Meinung der Bürger erfahren.”

Die beiden Frauen traten mit ihrer StartUp-Idee vor einigen Monaten an das Europäische Parlament direkt heran, schrieben mehrere MEPs an und stellten ihnen ihren Service vor. Mehrere Meetings mit MEPs folgten. Eine Reihe von Abgeordneten hat bereits angekündigt, VoteMyLink nutzen zu wollen.

Mit dem Yo!Fest auf dem Place Luxembourg in Brüssel wurde die Kampagne “League of Young Voters” in Party-Atmosphäre und in Anwesenheit von Kommissionspräsident Manuel Barroso und MEPs am 30.05. eingeleitet. Vor dem Eingang zum Parlamentsgebäude “Altiero Spinelli” wurde eine Konzertbühne aufgebaut, Bierstände und Würstchenbuden luden zum Zeitvertreiben ein. Eine sympathische Veranstaltung. Doch die Zielgruppe dieser Kampagne lässt sich nicht so einfach erreichen, als dass man sie auf einem Reggae-Konzert mitreissen könnte.

Das fehlende politische Engagement, vor allem unter jungen EU-Bürgern, ist zum einen auf die gefühlte Distanz zu Brüssel zurückzuführen. Das Desinteresse ist aber auch Indiz für die mangelhafte Kommunikation zwischen EU-Politikern und Bürgern. Eine großangelegte Kampagne “League of Young Voters” wurde erst vergangenen Donnerstag in Brüssel eröffnet und hat zum Ziel, die Zahl der jungen Wähler bei den kommenden Europawahlen im Mai 2014 zu erhöhen. Bei den letzten Wahlen 2009 enthielten sich 71% der jungen Europäer zwischen 18-24 Jahren.

Es ist nicht einfach, in Zeiten von Krise und Skepsis, die Bürger von der Legitimität des Europäischen Parlaments zu überzeugen. Und noch schwieriger ist es, die Distanz zwischen EU-Bevölkerung und -Abgeordneten zu überwinden und zum Engagement zu motivieren.

Eine Social Media Plattform wie VoteMyLink könnte eine Brücke schlagen und die Informations- und Kommunikationslücke zwischen beiden Seiten verringern. Für die MEPs kann das ein sehr nützliches Tool sein: Durch die Gruppierungen werden Diskurse anhand von bestimmten Userinteressen “verfeinert” und durch das Abstimmungsprinzip können Meinungen ausgetauscht werden. Dadurch kann die Unterstützung für bestimmte politische Beschlüsse gemessen werden.

Morgen wird die Inbetriebnahme von VoteMyLink im Europäischen Parlament im Rahmen einer Podiumsdiskussion “Women promoting IT” eingeläutet.

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