Lyon,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 Bonjour. Ich heiße Mareike, bin ein Berliner Urgestein und 24 Jahre alt. Ich studiere Kulturwissenschaften in Frankfurt Oder, verbringe die kommenden 10 Monate jedoch in Lyon und erkunde die französische Universitätslandschaft am Institut d’Études Politiques. Während es die meisten nach Paris verschlägt, war für mich Lyon die erste Wahl. Lyon ist nicht nur „la ville de gueule“ (frei: „Stadt der Gaumenfreuden“), sondern bietet allerlei Entdeckenswertes. Um nicht vollends dem guten Essen zu verfallen, widme ich mich sinnvolleren Beschäftigungen und werde mich für euch auf die Suche nach den neuesten Medientrends und -innovationen machen. Fragen, Kritik und Anregungen sind absolut erwünscht. Na dann, allons-y!


Von Stiftung bis Paywall – alternative Geldquellen für den französischen Journalismus

Wie finanziert sich der Journalismus in Zukunft? Drei französische Online-Magazine zeigen wie es geht – oder eben auch nicht geht.

Unter deutschen Verlegern wird sie gefürchtet und trotzdem greifen nun viele verzweifelt nach diesem letzten, verbleibenden Strohhalm: die paywall. Erst gestern berichtete die taz anlässlich der tagesaktuellen Zeitungstode der FTD und der Frankfurter Rundschau über diese Idee des „half paid contents“.

Nur selten wiederholen sich Erfolgsgeschichten wie die des französischen  canard enchaîné (die angekette Ente). Die achtseitige Wochenzeitung finanziert sich seit Bestehen nur durch ihren Erlös und erfreut sich immer noch großer Beliebtheit.  In allen anderen Fällen garantieren Name und Historie schon längst nicht mehr finanzielle Sicherheit. An drei Beispielen französischer Online-Magazine sollen drei Möglichkeiten der Finanzierung im Journalismus erläutert werden.

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Natürlich war dies nur ein Scherz!

OWNI  – Quersubventionierung als Garant für unabhängigen Journalismus?

OWNI steht für objet web non identifé (unbekanntes Web-Objekt) und ist ein Wortspiel des OVNI (objet volant non identifé), unseres UFOs. Man will also alles neu und anders machen im Jahr 2009, als das Magazin unter anderem als Reaktion auf das umstrittene Gesetz Hadopi ins Leben gerufen wird.  Auf der Website von OWNI, das sich dem data journalism verschrieben hat,  werden externe und interne Beiträge veröffentlicht. Seit 2010 arbeitet OWNI mit Wikileaks am Projekt SpyFiles.

Aller Berufsethos in Ehren: Ohne Einnahmen arbeitet es sich schlecht. Der Blogger und Gründer des Magazins, Nicolas Voisin, verfolgt ein Modell zur Finanzierung der journalistischen Arbeit, das nicht gewinnorientiert ist. Das Magazin OWNI wird als ein Teil einer „Hybrid-Firma“ querfinanziert durch das gewinnbringende Geschäftsfeld Voisins, die Firma 22mars.

Der Gewinn reicht jedoch irgendwann nicht mehr aus, um Gehälter zu zahlen. Zudem widmet Nicolas Voisin den Großteil seiner Zeit seinem neuen Projekt Tactilize und ist darüber hinaus noch im „Conseil national du numérique“ (CNN) als Vizepräsident zuständig. Neben ihm zählen auch Xavier Niel und Marc Simoncini zu den Mitgliedern des CNN, das der Vermittlung zwischen Regierung und der digitalen Wirtschaft dient. Beide investierten in Owni. Keiner von beiden entstammt originär dem journalistischen Berufsfeld.

„Für das Team [von Owni, Anm. Autorin] bedeutet die Umstrukturierung auch, sich von den Anteilseignern Niel und Simoncini zu entfernen, die ‚keine Zeitungsverleger sind‘ – will heißen, die nicht in gleicher Weise wie das journalistische Team denken. Freitagabend stößt man in der Redaktion ‚auf die Unabhängigkeit‘ an“. (Rue89)

Die eigentlich angestrebte Unabhängigkeit musste nun also erst errungen werden. Voisin zieht sich aus dem Geschäft zurück, bleibt aber Anteilseigner. Aus „22mars“ wird „Tactilize“ und das Magazin OWNI gehört nun der „OWNI SAS.“. Diese bleibt jedoch vorerst als Tochterfirma Tactilize unterstellt bis das nötige Startkapital von Erci Series und seiner Investment Group Avenport geliefert wird.

Ist damit nun die Freiheit gesichert? Schließlich rutscht man hier doch eher von einem Abhängigkeitsverhältnis ins nächste. Wie in Zukunft dann längerfristig die Bezahlung der Gehälter gesichert werden kann, bleibt schleierhaft. Was als gute Idee begann, eignet sich wohl nicht als Finanzierungsmodell für unabhängigen Journalismus, jedenfalls nicht, solange das gewinnbringende Geschäftsfeld dem Journalismus so fern ist.

Mediapart – Wer lesen will, muss zahlen!

Der US-amerikanische Journalist und Gründer des Online-Magazins Wired, Chris Anderson, erklärt in einem Artikel und auch in zwei Büchern „Free“ Why $0.00 Is the Future of Business“

“[…] but the truth is that zero is one market and any other price is another. In many cases, that’s the difference between a great market and none at all […].

In the traditional media model, a publisher provides a product free (or nearly free) to consumers, and advertisers pay to ride along. Radio is „free to air,“ and so is much of television. Likewise, newspaper and magazine publishers don’t charge readers anything close to the actual cost of creating, printing, and distributing their products. They’re not selling papers and magazines to readers, they’re selling readers to advertisers. It’s a three-way market.“ (Wired)

Wenn nun aber wirklich keine Zeitungen und Magazine an Kunden, sondern diese an die Werbekunden verkauft werden,  warum dann nicht die Kunden unter der Garantie eines unabhängigen und werbefreien Contents für diesen bezahlen lassen.

Dies dachten sich die Gründer des Magazins Mediapart, das sich nur durch den Verkauf von Abonnements finanziert. Zugegeben: Man startete im Gründungsjahr 2008 mit einem Polster drei Millionen Euro, von denen die Gründer etwa eine Million Euro einbrachten. Der Rest wurde von den „Freunden von Mediapart“ beigesteuert, zu denen sich wiederum  unter anderem der bereits erwähnte Xavier Niel zählt (man sollte sein Kapital schließlich großzügig streuen).

Ende 2009 zählt das Magazin etwa 16.000 Abonnenten, 50.000 müssten es nach Schätzungen sein, um Gewinne zu verzeichnen. In der Aufdeckung der Wahlspendenaffäre Sarkozys und der L’Oreal-Erbin Bettencourt spielt Mediapart eine Schlüsselrolle. Die Popularität steigt und Anfang 2011 kann die Zeitung den 47.500sten Abonnenten und somit ein Ende der Verluste vermelden.

Mediapart besteht aus zwei Teilen: Le Journal und Le Club. Die redaktionellen Inhalte von Le Journal werden durch Blog-und Foreneinträge der Nutzer aus Le Club ergänzt. Nach dem Abschluss eines Abos für monatlich neun (ermäßigt fünf) Euro ist man Mitglied von Le Club und erhält drei Online-Ausgaben täglich.

Auch hier preist man seine Unabhängigkeit. Daran zweifeln lässt einen dann beispielsweise eine E-Mail der Ex-Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten Ségolène Royale an ihre Anhänger mit dem Aufruf, das Magazin zu unterstützen. Trotz solch kleiner Eskapaden scheint das Bezahl-Modell Mediaparts für unabhängigen und investigativen Journalismus zu funktionieren.

Online-Magazine mit allgemeiner Berichterstattung wie Tagesschau, FAZ und Co. können es sich aufgrund der großen Konkurrenz nicht erlauben, paywalls einzurichten. Jedenfalls nicht, solange die Konkurrenz sich dagegen entscheidet. Leider zeigen Vergleiche zwischen Print und Online-Format häufig, welche Qualitätsgefälle sich zwischen bezahltem und rein werbefinanziertem  Journalismus ergeben können. Während beispielsweise die Bezahl-Variante des Spiegels mit gut recherchierten Beiträgen aufwarten kann, sammeln sich unter den informativen Artikeln der fiktiven Seite 1 von SpON leider häufig recht boulevardesk anmutende  weitere Artikel. Muss der Journalismus im Internet trotz allem immer kostenlos zur Verfügung stehen? Nein, aber dieses Modell wird zukünftig nur für Magazine interessant sein, die ihre Nische gefunden haben.

Global Magazine – the american way in Frankreich: stiftungsfinanzierter Journalismus

Logo des Global MagazineDie Macher des im Jahr 2001 gegründeten Global Magazine können mit dem Spruch „Zeit ist Geld“ wahrscheinlich wenig anfangen. Beide Begriffe interpretiert man in den Redaktionsräumen völlig neu.  Die ewige Hetzjagd nach dem Scoop interessiert hier nicht. Das Global Magazine vertritt den slow-journalism.

„Es ist an der Zeit, Informationen zu verlangsamen, zu sortieren und zu überdenken, hinsichtlich der Dinge, die wir für essentiell halten: Das Leben in der Gesellschaft, das individuelle Glück, der ökologische Zustand unseres Planeten und eine tiefgreifende Veränderung unserer Gesellschaft, die Entschlüsselung geopolitischer Macht. Die Zeit der slow-info“. (Global Magazine)

Den Journalisten soll also die Zeit für ausgiebige Recherche und längerfristige Analysen gegeben werden. Die Tatsache, dass den Journalisten anderer Medien keine Zeit für derartige Vorgehensweisen bleibt, erklärt sich dadurch, dass man hierfür das entsprechende finanzielle Kapital benötigt. Womit man nun beim Faktor Geld angelangt wäre. Auch das Global Magazine kann sich nicht vollends vom ökonomischen Druck vollends. Mit der Gründung einer Stiftung hofft man, ein Mittel gegen ökonomische Zensur gefunden zu haben.

Das Vorbild liefert unter anderem ProPublica aus den USA, wo Stiftungen längt als Heilmittel für den investigativen Journalismus gefeiert werden. Die Artikel des Global Magazine sind generell auch Nicht-Abonnenten zugänglich. Mit einem Schnupperabo zu einer Mindestspende von 20 Euro stehen einem eine größere Auswahl an Artikeln, Datenbanken und weiteren Informationen zur Verfügung. Mit einer Mindestspende von 80 Euro darf man sich Dauer-Abonnent nennen. Längerfristig, schätzt Chefredakteur Gilles Luneau, benötigt man eine finanzielle Basis von 120.000 Spenden à 80 Euro, das heißt knapp 10 Millionen Euro, um die journalistische Qualitätsarbeit aufrechterhalten zu können.

Wie das funktionieren soll? Man setzt auf Mundpropaganda. Bisher scheint diese noch nicht allzu erfolgreich zu laufen. Artikel zum Global Magazine findet man im Web nur wenige, zumal auch der Name leicht mit englischsprachigen Magazinen zu verwechseln ist. Garantieren Stiftungen nun Unabhängigkeit? Solange diese von treuen Anhängern der guten Sache gestützt werden, könnte das Modell erfolgreich sein. Das demokratische Streben von Magazinen wie dem Global Magazine könnte jedoch nichtig werden, wenn sich mächtige Investoren einmischen. Nicht immer ergibt sich dadurch auch ein inhaltlicher Einfluss, doch Zweifel an der Unabhängigkeit bleiben bestehen.

Wo ist nun die Patentlösung? Die Querfinanzierung durch eine Hybrid-Firma wie im Fall von OWNI ist ein guter Ansatz, birgt aber seine Schwächen, solange der Geldbringende Firmenzweig nicht genug Umsatz macht oder womöglich sogar inhaltlichen Einfluss auf den redaktionellen Teil nimmt. Der für Internetuser radikale Schritt, den gesamten Content wie im Fall von Mediapart nur gegen Bezahlung eines Abos zur Verfügung zu stellen, sichert immerhin zu, dass der Inhalt von den eigenen Lesern unterstützt wird. Allerdings muss man hier mit wirklichen Innovationen aufwarten, um den Leser an sich zu binden. Zuletzt bleibt eine Variante des Paid-Content-Modells in Form des stiftungsfinanzierten Journalismus vom Global Magazine, wo man sich dem großen Vorhaben der slow-info gewidmet hat. Es bleibt fraglich, ob man diese recht kostspielige Form von Recherche mit einem sehr unsicheren Finanzierungsmodell der freiwilligen Spende unterstützen kann.

Wie geht es also weiter? Hier gibt es immerhin drei Ansätze, die zum Nachdenken anregen können. Bis dahin kann man sich vor allem als Leser fragen, wie viel einem der unabhängige und qualitativ hochwertige Journalismus wert ist, statt auf das eine Zukunftsmodell auf dem Silbertablett zu warten.