Die Listicle-Debatte polarisiert – auch in der Schweiz. Zwischen „Rettung des Journalismus“ und „Sargnagel des Journalismus“ findet sich nur wenig. Wichtig wäre die Form vom Inhalt zu trennen, und zu überlegen, was Listicles heute sind – und ob sie mehr sein könnten. Ein Kommentar von Christian Simon
Der Romanesco ist das dümmste Gemüse überhaupt. Das wurde nicht etwa von Wissenschaftlern oder wenigstens Köchen festgestellt, sondern von den Lesern des Onlineportals Blick.ch. In der Abstimmung zum Listicle „Die 10 dümmsten Gemüse der Welt“ setzte sich die Blumenkohlart deutlich gegen Schwarzwurzel (2. Platz) und Topinambur (3. Platz) durch.
Ein anderes Beispiel, diesmal zum Dauerbrennerthema „Alter“. 20min.ch liefert 14 Dinge, an denen man merkt, dass „dass sich Ihre Adoleszenz dem Ende zuneigt“. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Schon mal eine Flasche Rotwein verschenkt? Dann dauert es wohl nicht mehr lange bis zu den ewigen Jagdgründen. Behauptet zumindest Punkt 03. Die Bebilderung: Geliehen aus der Serie “New Girl”.
Das dritte Beispiel, Storyfilter.com, zeigt immerhin neue und interessante Bilder anstatt tausendfach gesehenen Memes. Das Thema „Die 7 bizarrsten Touristenattraktionen der Welt“ ist allerdings auch eher boulevardesk, und liefert auch neben den Bildern nur äußerst rudimentär Informationen über die Reiseziele.
Das ist alles ganz witzig und ironisch und so herrlich hip und unernst. Aufklärerisch, meinungsbildend oder auch nur neu ist es nicht. Zumindest in der Schweiz können Listicles ernsthaften Journalismus also bisher nicht retten, sie können ihn nur verdrängen (und Kollege Lucas lässt vermuten, dass es anderswo genauso sein könnte).
Bleibt nun die Frage, ob Listicles mehr sein könnten als bessere Witze, mit denen man ernsthafte Artikel verpackt. Denn demokratisch relevanten Journalismus bietet diese entertainisierte Darstellungsform bisher nicht. Wie praktikabel wären „Die 10 besten Snowden-Enthüllungen“, „7 Fukushima-Folgen die Sie gesehen haben müssen“ oder die „21 absolut süßesten Assad-Schnappschüsse“? Kann man ernsthaften Journalismus in Listenform packen? Kann man demokratische Prozesse buzzfeeden, und damit Leser gewinnen, die sich nie dafür interessiert hätten? Ist eine Symbiose zwischen dieser Art Unterhaltung und Information möglich, oder schließen sie sich gegenseitig aus?
Fragen, die wohl zu groß sind für einen einzelnen Trendblogger. In Zukunft mag das alles möglich sein – zurzeit sind Listicles aber noch so sinnlos wie ein Romanesco.
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