Können nur noch Amerikaner Serien fabrizieren über die sich deutsche Feuilletons freuen? Trotz genügend Selbstzweifel könnten britische Produktionen in Europa den Weg weisen zum Phänomen Qualitäts-Serie
Wir schreiben das Zeitalter der Serie. Zwar sind Serien an sich kein neues Phänomen, aber so eng eingebunden in das persönliche Portfolio wie heute waren sie noch nie. Es heißt nicht: „ja Breaking Bad gucke ich auch immer mal wieder gerne“. Sondern: „Ja, ich gucke Breaking Bad“. Und zwar treu, jede Folge, ohne Wenn und Aber. Die Serien die wir als „unsere“ angeben, gehören irgendwie zu uns und, dass sie sich mit dem regulären Fernseh-Programm messen müssen, steht nicht zur Diskussion.
Mit einer neuen Generation von Serien hat sich nicht nur das Verhalten der Medienkonsumierenden verändert, sondern (entgegen vieler düsteren Prophezeiungen) scheinen niveauvolle Produktionen höchst kompetitiv geworden zu sein. „Wir erleben die künstlerisch reichste Periode der Fernsehgeschichte“, meint das sonst mit Kritik nicht zimperliche „New York Magazine“. Diese künstlerische Blütezeit scheint aber auf ein Land begrenzt: die USA. Was über den Ozean nach Europa kommt sind Geschichten die sowohl inhaltlich relativ komplex und ästhetisch anspruchsvoll sind und so schaffen es Serien wie The Wire, Madmen oder Breaking Bad in die deutschen Feuilletons – und das keinesfalls als Beispiel des Kulturverfalls, wie so oft deutsche Fernsehformate.
Im Land, das sich gerne als das der Dichter und Denker sieht, wird so beim Thema Qualitäts-Fernsehen neidisch auf die USA geschielt. Im Einklang klagen die deutschen Medienjournalisten (z.B. zuletzt groß im Spiegel), wie jämmerlich und niveaulos alles ist, was die deutschen Sender im Vergleich zu ihren amerikanischen Counterparts auf den Markt bringen. In Deutschland bedeute Serie entweder kitschige Soap oder seichte Unterhaltungen mit immer wiederkehrenden, eindimensionalen Charakteren: Lebensnahe Geistliche, Polizisten, (Land-)Ärzte etc.
Die Entscheidende Frage (die ja auch schon Trendbloggerin Mareike stellt) ist somit: woran liegt das nur, dass in Deutschland das Format Serie sich mit Qualität nicht zu vertragen scheint? Die lauteste Antwort ist: Geld und eingefahrene Strukturen. So verteidigt beispielsweise ARD- Vorsitzender Lutz Marmor das Fehlen von Qualitätsserien in Deutschland gegenüber dem Spiegel damit, dass die amerikanischen Serien Produktionsbudgets hätten, „die in Deutschland nicht zu stemmen sind.“
Hier wird nun der Blick nach Großbritannien interessant. Im Gegensatz zu den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern hat die BBC schließlich einiges hervorgebracht, was durchaus in einer Reihe mit den umjubelten amerikanischen Serien genannt wird. Man denke nur an Sherlock oder Downton Abbey. Und das mit einem geringeren Budget als es ARD und ZDF zur Verfügung haben! Und auch im kleineren Rahmen zeigt sich das britische Fernsehen manchmal überraschend innovativ: so wird schon mal im daytime TV, inmitten von Game- und Talkshows, eine ambitionierte Dickens – Verfilmung gesendet – und zwar nicht verstaubt und verkrampft auf einen Bildungsauftrag schielend, sondern frisch in Scherlock-Manier.
Geschimpft wird dennoch auch in Großbritannien. Ein Problem, dass hier genauso viel diskutiert wird, wie in Deutschland, ist, dass für Autoren mit kreativen Ideen im bürokratischen Sumpf der Öffentlich-Rechtlichen kein Durchkommen ist. Die BBC ruhe sich auf ihrem Monopol aus beschwert sich Peter Jukes im Prospect Magazine. Fraglos ein Vorwurf der ARD und ZDF nicht fremd sein dürfte. Im Serien-Wunderland USA hingegen sahen sich Sender durch harte Konkurrenz gezwungen –ja, tatsächlich- Qualität zu produzieren.
Amerikanische Sender haben verstanden, dass man um etwas Außergewöhnliches zu kreieren künstlerische Freiräume lassen muss. Bei HBO zum Beispiel wird „der Autor zum König gemacht“, wie Serien Autor Gary Shteyngart begeistert feststellt. Und so entstehen gewagte Serien, die andernorts vielleicht kaputtdiskutiert würden.
Werden wir also auch in Zukunft statt den Fernseher anzuschalten uns lieber per Stream oder Video nach New York oder Baltimore versetzen? Prinzipiell gibt es ja durchaus noch Hoffnung für Europa. Großbritannien jammert sowieso auf einem hohen Niveau – und der Erfolg von Qualitätsserien wie Downton Abbey oder Sherlock kann langfristig eigentlich nicht übersehen werden – selbst von Entscheidungsträgern in den Fernsehanstalten. Und auch in Deutschland gibt es doch eigentlich alles, was eine gute Serie am grundlegendsten braucht: künstlerisches Talent und (bei richtiger Prioritätensetzung auch) Geld. Der langjährige Programmverantwortliche bei Kirchmedia, Mojito, betont:“ Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender sind die am besten ausgestatteten in ganz Europa. Sie könnten mehr daraus machen.“ Und vielleicht machen sie das ja auch irgendwann.
Und es geht auch in anderen Ländern mit öffentlich-rechtlichem System:
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tv-serie-gefaehrliche-seilschaften-zweite-staffel-startet-auf-arte-a-868204.html
ARD hat es mittlerweile zumindest soweit erkannt, dass die Serie ab Ende April freitags im Ersten laufen wird.
Stimmt! Skandinavien ist wirklich auch ein interessantes Beispiel. Ich habs zwar selber nicht gesehen, aber „The Killing“ (auch aus Dänemark) wurde ja auch sehr gelobt….
It took me some time to read it, but I really liked the article!
Ein sehr schöner Artikel (:
Ich finde es schade, dass es in Deutschland einerseits derart wenige erfolgreiche Produktionen gibt und andererseits gute Formate wie eben „Sherlock“ dann sonntags am sehr späten Abend regelrecht im Programm versteckt werden. Dazu kann merke ich in Frankreich im Moment, dass ausländische Serien wie zB „Breaking Bad“ dort immer etwa ein halbes Jahr früher im TV zu sehen sind als in Deutschland. Die TV-Verdrossenheit ist wirklich kaum verwunderlich
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