Jetzt liegt es vor mir – das kleine schwarze metallische Ding. Einen Monat hat es mich Tag und Nacht begleitet, stets ganz nah an meinem Körper. Es hat meine Aktivitäten überwacht und sogar meinen Schlafrhythmus dokumentiert.
Vor einem Monat wurde ich gefragt, ob ich nicht mal das Misfit-Shine, „einen ganz besonderen Activity-Tracker“, testen möchte. Ich muss vorab gestehen, dass ich kein Fan von Activity-Trackern oder öffentlichen Vergleichen meiner Aktivitäten mit denen meiner Facebookfreunde oder ähnliches bin. Ich mache gerne Sport, aber ich brauche weder die öffentliche Bestätigung, noch den Wettkampf, um mich zu motivieren. Ich bin jedoch daran interessiert, effektiver zu trainieren und vielleicht bietet solch ein Gerät ja genug Erkenntnis für Optimierungsmöglichkeiten. Nichtsdestotrotz, der kleine Shine hatte eine besonders schwere Aufgabe, mich von seinem Nutzen zu überzeugen. Doch bei anderen Leuten hat er es ja auch schon geschafft. Dafür sprechen zumindest die fast 8.000 Unterstützer, die Misfit Anfang 2013 bei der Crowfundingplattform Indigogo einen finanziellen Zuschuss von mehr als 800.000 $ bescherten und bei Facebook sprechen mehr als 21.000 Follower auch schon einmal für sich. Ich habe mir also einen Plan erarbeitet, mit vielen unterschiedlichen Aktivitäten um Shine zu testen – von ruhigen Tagen bis zum Beachturnier, Sportcamp und normalen Trainingstagen.
Doch vorab: Warum noch ein Activity-Tracker, wenn es denn schon so viele gibt? Was macht diesen besonders? Da frage ich doch einfach mal den Hersteller. Ich habe Sonny Vu, CEO von Misfit, auf der IFA getroffen und gefragt, für was Shine gemacht wurde.
Und dafür hat das kleine Ding besondere Eigenschaften bekommen. Es ist aus edlem Metall gefertigt – quasi ein kleiner Handschmeichler, der aber nicht zu schwer ist. Mit dem ansprechendem Design konnte er in der Hinsicht schon einmal punkten, dass er schlicht und unauffällig ist. Während meiner Recherche habe ich mir ein paar Activity
Tracker angeschaut und die klobigen Uhren am Handgelenkt schienen oft die Extrafunktion zu haben, allen im Umkreis von fünf Metern mitzuteilen, wie aktiv ich in letzter Zeit war – oder halt auch nicht … Shine ist dezent, passt auch zu eleganterer Kleidung. Man kann es gut zu jeder Gelegenheiten tragen, ohne jedem sofort auf die Nase zu binden wie verantwortungsbewusst man auf seine Gesundheit achtet.
Ein weiterer positiver Effekt ist, dass Shine so energiesparend arbeiten soll, dass laut Aussage des Herstellers ein halbes Jahr lang die Batterie nicht gewechselt werden muss – also kein lästiges Aufladen alle zwei Tage, aber was sagt die Umwelt zur Batterie?
Die Handhabung ist idiotensicher. Es gibt weder Knöpfe noch irgendetwas anderes, mit dem man etwas verstellen könnte. Das ist aber auch zugleich sehr gewöhnungsbedürftig, habe ich doch einen sehr stark ausgeprägten Wunsch der Eigenbestimmung. Man kann das Gerät nur aktivieren, indem man doppelt auf die Metallfläche tippt. Doch das soll Sonny erklären:
Da kommen wir auch gleich zu zwei Punkten, an denen ich etwas zu kritisieren habe. Das Synchronisieren mit der App hat mich beim ersten Mal drei Tage gekostet. Ich habe sogar den Support angeschrieben, der mir erfreulicherweise sehr schnell geantwortet hat, aber leider auch nur die Tipps hatte, eine gute Internetverbindung herzustellen, die App zu schließen und zu öffnen und das Bluetooth an- und auszumachen.
- Please make sure that your device’s battery is sufficient (low battery can affect device’s Bluetooth signal)
- Regularly refresh Bluetooth (turn off and then turn on)
- Double-tap your Shine before tapping on ‚Tap to link‘
- If your device takes too long searching for Shine, please double-tap Shine a few more times
- Reboot device as the last resort, and try the steps above again
Nach ca. zwei sehr intensiven Stunden, sehr viel Geduld sowie Foren-Recherche und der Idee, nicht übers WLAN, sondern mit dem Kabel das erste Update zu machen, hat es dann aber doch irgendwie geklappt. Nach fünf Tagen hat sich Vivian vom Support sogar nochmal persönlich gemeldet, um sich zu erkundigen, ob es jetzt geht – sehr nett!
Der erste Eindruck der App: etwas minimalisitsch. Im Menü gibt es nicht viele Auswahlpunkte. Die Tagesaktivitäten werden mit einem Säulendiagramm dargestellt. Den Nachtschlaf kann man an einem Balkendiagramm ablesen. Naja, manchmal ist weniger ja mehr und nicht jeder will eine wissenschaftliche Analyse aus seinen Aktivitäten machen. Schade eigentlich, mich hätten mehr Details sehr interessiert. Wenigstens nervt die App nicht damit, dass sie ständig meinen Standort irgendwo veröffentlichen möchte – theoretisch wäre dies jedoch eine Funktion, die in dem Fall doch mal angebracht wäre, um Distanzen zu messen oder ähnliches. Die Aufgabe übernehmen dann wohl die Running-Apps, mit denen die Shine-App kompatibel sein sollen – mal mehr mal weniger gut.
Mit der App konnte ich mein Tagesziel, wie viele Stunden ich schlafen möchte und mein Geburtsdatum, Geschlecht, Gewicht und Größe eingeben. Wozu, weiß ich nicht genau, denn egal, ob ich 50 kg oder 70 kg eingebe, werden mir anfangs stets 1.000 Punkte empfohlen, die man dann später individuell erhöhen kann – laut App entspricht dies ca. 1,5 Stunden spazieren gehen. Ich nehme an, die persönlichen Angaben haben erst einen Zweck, wenn man sich mit seinen Facebook-Freunden messen möchte. Da aber keiner meiner engeren Trainingspartner 79 € (99.99 $) dafür ausgeben wollte, habe ich diesen Testschritt ausgelassen. Möchte aber an dieser Stelle erwähnen, dass es durchaus motivierender sein kann, mit Freunden jeden Tag einen kleinen Wettkampf zu starten, wer wohl am Tag mehr Kalorien verbrennt. Vielleicht gibt es ja in Zukunft auch eine Möglichkeit, dies unabhängig von Facebook machen zu können.
Es ist zwar schön Technik herzustellen, die jeder bedienen kann, aber etwas mehr Einstellungsmöglichkeiten wären wünschenswert. So kann man seine Aktivitäten lediglich mit „Radfahren, Schwimmen, Tennis, Basketball und Fußball“ taggen. Das Gerät misst die Aktivität anhand der Bewegung, wie bei einem Schrittzähler. Andere Parameter, wie beispielsweise der Puls, werden nicht dokumentiert.
In Foren heißt es, dass die App für das iPhone sehr viel ausgereifter sein soll. Vielleicht wird für die Androidgeräte auch bald nachgerüstet. Ich habe mich aber bei den spärlichen Einstellungsmöglichkeiten auch gefragt, wie Menschen in Nachtarbeit das Gerät nutzen können, denn es gibt keine Möglichkeit der Umstellung. Shine taggt Aktivitäten nur tagsüber. Dafür werden Aktivitäten, wie abends ruhig ein Buch lesen, schon einmal mit „Schlafen“ dokumentiert. Einmalig wurden sogar Aktivitäten dokumentiert, obwohl ich es nachts in meiner Hose vergessen habe, die ruhig über dem Sessel hin – welche Mainzelmännchen waren denn da am Werk? Ich vermute mal, dass dies ein Synchronisationsfehler war. Nachdem ich zwei weitere Nächte Shine absichtlich links liegen ließ, wurden auch keine Aktivitäten mehr gemessen.
Vielleicht stecke ich die Ziele hier auch zu hoch. Was soll das Ding denn leisten? Warum sind Leute interessiert an Activity-Trackern?
Die Idee der Diagramm- oder Balkendarstellung ist an sich gut, doch bis auf einen groben Überblick sagt sie mir nichts. Meine Tiefschlafphasen werden mir durch den dunkellilanen Balken angezeigt, eine der anderen beiden Lilatöne zeigt mir den leichten Schlaf an? Auch ein Blick in die Bedienungsanleitung, die bisher nur auf englisch und im Internet erhältlich ist, gibt nicht mehr Aufschluss. Sie eröffnet im Gegenteil sogar noch mehr Fragen, denn sie enthält viel mehr und vorallem andere Bilder, als mir meine Android-App zeigt.
Dazu kommt, dass die Glaubwürdigkeit des Geräts darunter leidet, wenn sich die Darstellungen widersprechen. Das ist sehr schade, denn der Grundgedanke ist interessant. Es kam leider öfter vor, dass ich laut den Diagrammen zeitgleich geschlafen habe und so aktiv war um noch in den Abendstunden mein Tagesziel zu erreichen.
Shine hat mich also während meines Alltags aber auch beim Sport begleitet. Aktive Sportler müssen täglich ihr Ziel neu einstellen, da es keine Möglichkeit gibt, einen Trainingsplan zu erstellen. So kam es dazu, dass ich an manchen Tagen 500 bis 800 % meines Tagessolls erfüllt habe, weil ich meine Ziele nicht neu definierte bzw. auch gar nicht errechnen konnte wieviel Punkte ich an einen Turniertag erreichen sollte, weil dies in der Bedienungsanleitung nicht ausreichend erklärt wird. In der Online-Bedienungsanleitung steht auch, dass man Shine je nach Aktivität an besonders günstigen Körperstellen tragen soll – beim Fahrradfahren am Fuß, beim Schwimmen am Handgelenk etc.
Das schlichte Gummiarmband sowie die Klippvorrichtung ermöglichen ein komfortables Tragen anfast jeder Körperstelle. Der Hinweis, dass man auf das Gerät aufpassen soll und der Magnet nur an dünnen Stoffschichten befestigt werde sollte, ist jedoch nicht zu vernachlässigen. So ist mir z. B. Shine beim Schaukeln mit meiner kleinen Cousine aus der Hosentasche meiner Jeans gerutscht. Glücklicherweise habe ich es im Sand darunter wieder gefunden. Auch an so einigen Drehkreuzen im Supermarkt bin ich mit dem Magnet schon einmal kurz hängengeblieben bzw. mein Shine ist hängen geblieben. Leider hat es sich aber auch im Schlaf aus der Befestigung gelöst und besonders spaßig war die längere Suche am Strand von Valencia, als es sich bei einem Beachturnier aus der eigentlich sehr solide wirkenden Gummihalterung des Armbands gelöst hatte. Vielleicht war es dort so warm, dass der Gummi sich zu sehr ausgedehnt hat. Für Surfurlaube in warmen Gegenden ist also vielleicht doch eine Reißverschlusstasche empfehlenswert. Aber auch hier wird schon nachgerüstet. Just hat mich eine Merch-E-Mail von Misfits erreicht, die für Sportshirts oder -socken mit eingearbeiteten Taschen wirbt …
Begeistert hat mich an Shine der gewisse, dezente, aber vorhandene Nerdfaktor der Uhr – zweimaliges Tippen auf ein mystisch aussehendes Gerät an meinem Handgelenk – beam me up, Scotty. Leider sind die Punkte bei starker Sonneneinstrahlung schlecht zu erkennen, so dass man oft sehr lange drauf schauen muss. Das Gerät reagiert auch nicht immer beim ersten Tippen, was eine sehr ungewöhnliche Außenwirkung hat, da man so ständig auf ein Ding am Handgelenk tippt und danach mehrere Sekunden drauf starrt.
Nach einem Monat habe ich mich gefragt, ob Shine mich überzeugen konnte, und ehrlich gesagt, werde ich es wohl zukünftig nicht mehr einsetzen. Das liegt zum einen daran, dass die Android-App großen Verbesserungsbedarf aufweist und zum anderen daran, dass die Trainingsziele nicht auf aktive Sportler ausgerichtet sind. Die angestrebte Zielgruppe von Misfit Shine sind Menschen, die ihre Gewohnheiten ändern möchten, die ihren Hintern von der Couch bewegen und ihrem Körper etwas Gutes tun wollen und dies ist eine unterstützenswerter Gedanke. Wenn man Motivation durch einen Activity-Tracker und eine App erhalten kann, wenn man am Abend sieht, dass man erst acht von 12 Punkten voll hat und deswegen nochmal um den Block spaziert, ist das eine löbliche Bewusstseinsänderung und genau das, was die Macher bewirken wollen … also Ziel erreicht.
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Nach der ersten freundlichen Nachfrage, ob ich mein Shine jetzt synchronisieren kann, was ich bejahte, wurde ich am 21. September nochmals in Eigeninitiative angeschrieben. Mir wurde mitgeteilt, dass man jederzeit für mich da ist. Nur das mir nochmal bewusst gemacht wird, dass man meine Aktivität stets einsehen kann, stößt mir innerlich irgendwie auf, aber daran muss man sich wohl gewöhnen. – Also ein Plus für einen sehr fürsorglichen Support –
“ Hi Jess,
I’ve checked your account in our system and see that you’ve been having regular successful syncs. Feel free to contact us again if you have any question in the future. Have a great day!
Best regards,
Vivian | Misfit Support Team „