Geschlossene Schulen, frustrierte Schüler, protestierende Lehrer: In den USA haben anonyme Netzwerke wie YikYak für Chaos an den Schulen gesorgt. Während in den Staaten über die Gefahren des anonymen Postens diskutiert wird, geht mit der muhmuh-App jetzt die deutsche Version an den Start.
„Liebe Kinder, bitte löscht die App YikYak von euren Handys“. Als John Dodig, Direktor der Staples High School in Connecticut, diese Durchsage macht, ist es bereits zu spät. YikYak, die App, die es Nutzern erlaubt anonyme Kommentare zu posten, hat die Schule erreicht. Und die Schüler legen los:
„H. findet keinen Partner für den Abschlussball, denn niemand hat einen Gabelstapler“. „K. ist eine Schlampe“ Oder: „99 Prozent der Jungs haben größere Brüste als J.“.
Da die App alle Posts von Nutzern im Umkreis von 2 Kilometern anzeigt, entsteht auf den Schulgeländen so etwas wie eine digitale, interne Pinnwand. „Es war als hätte jemand die Klotür genommen und auf jedermanns Telefon geladen“ beschreibt Elizabeth Wendorf, Lehrerin an einer Schule nahe Boston, die Ankunft von YikYak. Dass diese digitale Klotür eine ganze Schule lahmlegen kann, beschreibt Will Haskell, Schüler an der Staples High, in einem Artikel für das NewYork-Magazine: „In der Zeit nach dem Mittagessen warteten alle auf die neuen Posts. Die Seite wurde aktualisiert und neue anonyme Obszönitäten waren zu sehen“. Im vergangenen März wurde an einer Schule in Massachusetts die Polizei eingeschaltet, nachdem neben Beleidigungen auch eine Bombendrohungen auf YikYak gepostet worden war.
„In den Filmen lachst du über die High School Szenen in denen flüsternde Schüler auf den Fluren stehen und alle über dasselbe lästern. Donnerstag Nachmittag in Staples High sah genau so aus“ (Will Haskell, Schüler der Staples High School).
YikYak gibt es in den USA seit November 2013. Die Gründer, vom Erfolg wie vom Missbrauch ihrer App gleichermaßen überrascht, haben mittlerweile reagiert: Sie haben eine Firma engagiert, die per sogenanntem „geo-fencing“ versucht YikYak auf Schulgeländen unzugänglich zu machen. Während in den USA der Zugang bereits eingeschränkt wird, arbeitet ein junger Deutscher daran anonyme Netzwerke hierzulande bekannter zu machen.
Tobias Dorner ist 31 Jahre alt und hat mit der muhmuh-App das deutschsprachige Pendant zu YikYak programmiert. „Ich beobachte seit Jahren die Entwicklung von Start-Ups im Bereich des mobilen Internets und da es im deutschen Bereich nicht wirklich etwas Vergleichbares gab, habe ich mich der Sache angenommen“, so der Mainzer im Interview. Im iOS-Store gibt es muhmuh schon, die Android-Version soll bis Mitte August fertig sein.
Dorner hat die Probleme mit YikYak genau verfolgt und macht sich über das Konfliktpotential seiner App keine Illusionen: „Wir haben vorsorglich bereits in der ersten Version die Möglichkeit eingebaut, Beiträge zu melden und gezielt Nutzer zu sperren, die sich nicht an unsere Regeln halten.“ Für alle anderen soll muhmuh ein Ort werden, an dem frei von Profilierungszwang und Eitelkeiten lokale Trends besprochen werden können. Anders als bei YikYak können in der deutschen Version dabei auch Bilder gepostet werden.
Bereicherung oder Gefahr?
Der Konflikt um anonyme Netzwerke entsteht aus einer Uneinigkeit darüber, was es bedeutet anonym im Netz zu kommunizieren. Für die Gründer von YikYak ist es die Möglichkeit frei von Profilierungszwang Meinungen und Informationen auszutauschen. Das ist im Selbstdarstellungs-Rausch von Twitter und Facebook tatsächlich eine verlockende Aussicht. Keine Selbstaussage, einfach nur Aussage.
Aber, erwidern die Kritiker, es ist eine ungesunde und besonders für Kinder gefährliche Art der Kommunikation. Anders als in einer echten Gesprächssituation gibt es kein emotionales Feedback, das verarbeitet werden muss.
Louis CK über Smartphones und Empathie (Nur die erste Minute)
Was also dominiert bei YikYak und muhmuh? Der Gewinn einer Anti-Ego-Kommunikation? Oder die Gefahr eines neuen, ‚geschützten‘ Cyber-Mobbings? Viel wird dabei von den Prioritäten der Betreiber abhängen. Für Dorner zumindest ist klar, dass muhmuh kein Lästerforum werden soll: „Als Betreiber des Netzwerks sehe ich mich absolut in der Pflicht Dinge wie Hetze und Mobbing im Keim zu ersticken“.
In Portugal heißt das Pendant Ephemera (http://www.ephemerapp.com/) und machte erstmals letzten Oktober auf sich aufmerksam: http://informacao.canalsuperior.pt/sala-geek/16387
Scheinen sich jedoch wenig über die Gefahren bewusst zu sein.
Und im schulischen Kontext: Ich glaube, Verbote helfen wenig. Was sich hier zeigt, ist ja eher ein Ausdruck einer grundsätzlichen Empathieunfähigkeit. Ich glaube im Übrigen, dass diese nicht nur die junge Generation betrifft.
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Da hat der Entwickler dann schon ziemlich schnell versagt, was alleine in unserem „Kaff“ dürfte das was in der App veröffentlicht wird schon mehrere Straftaten nach StGB erfüllen.
Aber immerhin sieht er sich in der Pflicht…