Viele Deutsche verbinden mit Afrika oft Themen wie Krisen, Kriege oder Katastrophen. Die crossmediale Plattform JournAfrica! will mit den Klischees aufräumen und einen vielfältigeren Blick auf den Kontinent ermöglichen. Kann das Experiment gelingen?
Ein Blick auf Spiegel Online genügt: Wer den Suchbegriff Afrika eingibt, stößt bei den ersten zehn Treffern auf Artikel wie „Blauhelme in Afrika: Uno-Sicherheitsrat verlängert Mali-Einsatz„, „Wildernde Rebellen in Afrika: Elfenbein für Kalaschnikows“ oder „Illegaler Tierhandel: Abschlachtung Zehntausender Großsäuger alarmiert Uno„. Bei anderen deutschen Onlinemedien sieht es kaum anders aus. Themen wie der Terror der Boko Haram in Nigeria oder der Soldateneinsatz in Mali bestimmen das Bild, das viele Deutsche mit Afrika gleichsetzen.
Die crossmediale Plattform JournAfrica! will das ändern und eine größere Vielfalt an Themen und Perspektiven bieten, indem sie nicht auf konventionelle Korrespondentenstrukturen, sondern auf afrikanische Journalisten oder Journalistinnen zurückgreifen will. Deren Texte sollen dann von einer internationalen Redaktion in Deutschland übersetzt und auf JournAfrica! veröffentlicht werden. „Wir haben viele unterschiedliche Erfahrungen in afrikanischen Ländern gemacht, interessante Menschen kennengelernt, Entwicklungen beobachtet und Geschichten entdeckt. Das alles lässt sich unter einem Begriff fassen: Vielfalt. Doch zurück in Deutschland wird kaum etwas davon medial aufbereitet. JournAfrica! ist unsere Antwort darauf“, sagt Philipp Lemmerich, Mitgründer der Plattform.
Den ersten Schritt hat JournAfrica! bereits getan: Mitte Mai 2014 konnten Interessierte an einem Aktionstag in Leipzig teilnehmen und zwischen sechs verschiedenen Workshops zu Themen wie Afrikabilder, Redaktionsaufbau oder Webdesign und Finanzierung wählen. Die Workshops wurden von einigen Experten wie Ushman Shehu, Deutsche-Welle-Journalist, und Otto Frick von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betreut.
Wer steckt hinter der Initiative der Plattform?
Zu den Hauptinitiatoren von JournAfrica! zählen drei junge Journalisten mit Afrikaerfahrung aus Leipzig und Nürnberg: Philipp Lemmerich, Stefanie Otto und Linus Lüring. Lemmerich und Otto haben vor drei Jahren am ASA-Programm teilgenommen. Das ASA-Programm unterstützt junge Menschen, die im Ausland mehrmonatige Projektpraktika absolvieren, mit einem Teilstipendium. Philipp Lemmerich und Stefanie Otto waren für ihr Projektpraktikum drei Monate bei einem Lokalradio in Togo. Linus Lüring ist der Dritte im Bunde und war unter anderem mit dem Freiwilligendienst Kulturweit in Ruanda. „Erste Ideen haben wir im kleinen Kreis geschmiedet, sind dann aber recht schnell auf die Suche nach weiteren Mitstreitern gegangen. Momentan bereiten rund 30 Personen den Startschuss der Plattform Ende November vor“, sagt Lemmerich.
Welche Themen will JournAfrica! hauptsächlich abdecken?
JournAfrica! will vor allem auf Themen setzen, die bisher von der deutschen Medienlandschaft vernachlässigt werden. Dabei sollen hauptsächlich hintergründig recherchierte Geschichten im Mittelpunkt stehen, weniger tagesaktuelles Geschehen. Dabei soll es allerdings keine Beschränkung auf bestimmte Ressorts geben.
Aus welchen Ländern soll berichtet werden?
Anfangs will JournAfrica! aus fünf verschiedenen Ländern berichten, die vor allem die unterschiedlichen Regionen abdecken sollen, die in der bisherigen Medienberichterstattung von den Massenmedien vernachlässigt worden sind. Je nach Erfolg des Projekts sollen schrittweise auch weitere Länder hinzukommen.
Welche Rolle soll die Redaktion in Deutschland übernehmen?
Die Redaktion in Deutschland soll vor allem für die Akquise von Medieninhalten zuständig sein. Sie sucht im Internet nach bereits veröffentlichten Artikeln afrikanischer Journalisten und Journalistinnen. Falls die Artikel den Relevanzkriterien von JournAfrica! entsprechen, sollen diese über die Plattform zweitveröffentlicht werden. Die Artikel sollen dann einerseits auf Deutsch, aber auch in ihrer Originalsprache veröffentlicht werden. Die afrikanischen Journalisten und Journalistinnen können jedoch auch ihre eigenen Themenvorschläge einreichen.
Wie soll das Finanzierungsmodell aussehen?
Die Journalisten und Journalistinnen sollen in landes- und tarifüblicher Höhe für ihre Arbeit bezahlt werden. JournAfrica! plant außerdem eine Finanzierung durch entwicklungspolitische Stiftungen, Crowdfunding und Spenden. Später will JournAfrica! auch über die Plattform Geld verdienen, beispielsweise durch Abos oder den Verkauf von Inhalten an externe Medien.
Wird das Bild von Afrika nicht wiederum verzerrt, wenn JournAfrica auf „gute Nachrichten aus Afrika“ setzt?
JournAfrica! hat nicht zum Ziel, sich auf positive Nachrichten zu beschränken. „Vielmehr werden selbstverständlich auch negative Nachrichten bei JournAfrica! thematisiert – allerdings (und das ist der Unterschied) eben aus einem anderen Blickwinkel. Es soll also keine Verzerrung zugunsten eines bestimmten Bildes geben, sondern ein größerer Ausschnitt aus den Wirklichkeiten vor Ort gezeigt werden“, erklärt Lemmerich.
Warum hält das Team um JournAfrica! gerade die Berichterstattung über Afrika für wichtig?
„Vorstellungen von Afrika in Deutschland sind noch immer einseitig und stereotyp. Das Bild des Krisen- und Safarikontinents ist stark in den Köpfen verankert. Medienberichte tragen Einiges dazu bei: Denn wenn immer nur darüber berichtet wird, was man ohnehin erwartet, lassen sich keine neuen Perspektiven erschließen“, so Lemmerich.
An welche Zielgruppe richtet sich die Plattform?
JournAfrica! will vor allem Menschen für seine Plattform begeistern, die sich immer wieder auf die Suche nach neuen spannenden Geschichten begeben. „Unsere Zielgruppe ist der interessierte Online-Leser, der auch hin und wieder die ‚vertrauten‘ alten Medien hinter sich lässt. Das Internet gibt uns die Möglichkeit, auch Personen zu erreichen, die sich sonst eher selten mit Nachrichten aus Afrika beschäftigen“, meint Lemmerich.
Wie ist die Resonanz bisher auf die Idee der Plattform?
Bisher scheint die Idee der Plattform gut anzukommen: „Uns erreichen täglich Emails mit positivem Feedback zu unserem Vorhaben. Trotzdem freuen wir uns immer über konstruktive Kritik: Denn es ist noch ein langer Weg, und Anregungen von außen können da enorm weiterhelfen“, so Lemmerich.
Wie viele Leute unterstützen momentan JournAfrica! bzw. viele Leute machen bereits mit?
Rund 30 Personen helfen momentan aktiv bei der Entwicklung der Plattform, etwa 70 im erweiterten Kreis. JournAfrica! freut sich jedoch über jeden weiteren Interessenten. Wer Lust hat, beim Projekt mitzumachen, schreibt an: kontakt[at|journafrica.org.
Wie will JournAfrica den Kontinenten abdecken, wenn anfangs nur aus fünf Ländern berichtet wird?
„Wir haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Langfristig möchten wir versuchen, aus allen Ländern bzw. Regionen Geschichten zu veröffentlichen. Anfangs wird das rein aus Kapazitätsgründen nicht möglich sein, denn ein Netzwerk aus JournalistInnen aufzubauen dauert natürlich seine Zeit. Unsere Devise: Lieber klein anfangen und kontinuierlich wachsen“, so Lemmerich.
Was ist der aktuelle Stand?
Die aktiven Mitglieder von JournAfrica! treffen sich zur Zeit etwa alle drei Wochen. Die hauptsächliche Arbeit jedoch findet online statt. „Wir haben nun einen Verein gegründet und unseren Plattform-Start mitsamt Crowdfunding-Kampagne auf Ende November angesetzt. Ansonsten sind wir in den einzelnen Arbeitsgruppen mittendrin – gemeinsames Grillen und Weintrinken darf aber natürlich auch nicht fehlen“, so Lemmerich. Die fertige Plattform soll bis Sommer 2015 online sein.
Eine gute Initiative, Afrika wird immer wichtiger für die Entwicklung der Erde!