Die nächste Blattkritik der Trendblogger findet am 5. März um 16 Uhr statt. Die Redaktionssitzung ist grundsätzlich öffentlich – einfach hier einen Kommentar schreiben, dann laden wir Euch in unseren virtuellen Redaktionsraum ein.
Unser Referent ist diesmal Michael Praetorius. Er lebt heute als Publizist und Medienberater in München und Berlin. Dort leitet er die Geschäfte der NOEO GmbH. Michael Praetorius ist langjähriger TV- und Hörfunkjournalist. Zudem ist er Dozent für Journalismus, Medienmanagement und Social Media. Privat agiert er als Video-Blogger in der Münchner Isarrunde und Berliner Spreerunde.
Im Februar war das Thema der Trendblogger die Frage, ob Sender noch innovative Fernsehformate hervorbringen können. Neben den Sendern gibt es beispielsweise eine Reihe von Graswurzelinitiativen, die spannende TV-Formate hervorgebracht haben. Die Isarrunde gehört dazu – wir haben daher den Gründer der Isarrunde, Michael Praetorius, für dietrendblogger.de interviewt.
Können Fernsehsender noch echte innovative Fernsehformate hervorbringen?
Die Innovationen kommen derzeit eher aus dem Netz. Ein paar Beispiele: Talks, Comedy und Event-Fernsehen:
Talk funktioniert im TV gut, weil er billig zu produzieren ist und für ein durchlaufendes Programm ausreichend gute Inhalte bietet. Im Web ist das anders. Hier muss niemand 24 Stunden lang, 7 Tage am Stück Programme planen, so dass nur wenige Talkformate oder einzelne Talksendungen hohe Reichweiten erzielen.
Bei Comedy-Formaten sieht man dagegen schon jetzt Einflüsse aus dem Netz: Hier suchen die Sender durchaus schon bei YouTuben wie Ytitti nach Vorbildern.
Event-Formate wie „The Voice“ funktionieren noch im TV. Aber auch hier könnte es einen Paradigmenwechseln geben. Die Produktionsfirmen brauchen eigentlich künftig den Sender nicht mehr. Genauso lassen sich die Formate direkt als App für ein Smartphone, Tablet oder z.B. Smart TV für eine Spielekonsole distribuieren und direkt vermarkten.
Die Sender haben ihr Sendeprivileg fast vollständig verloren. Ich glaube nicht, dass es noch lange dauern wird, bis sich der Trend der senderunabhängigen Formate durchsetzt. Die ersten Produktionsfirmen arbeiten bereits an Formaten ohne feste Länge und primärer Ausstrahlung im Netz.
Du testest eine Reihe von innovativen Webformaten, u.a. ist die Isarrunde und die Spreerunde ein Experiment dafür, wie man eine Talkshow ohne großen Sender aufziehen kann. Warum ist Deiner Meinung nach die Isarrunde innovativ?
Wir können uns mit jeder Sendung neue Fehler leisten und an Grenzen stoßen: Zum Bespiel bei der Frage nach der TV-Infrastruktur: Wie günstig kann man WebTV produzieren, wenn es immer professioneller aber nicht teurer werden soll. Das war vor drei Jahren die Frage. Jetzt haben wir ein mobiles Low-Budget Studio, das für einige Sender schon als Inspiration interessant war.
Inhaltlich sind wir noch sehr am Anfang. Wir talken noch zu viel. Aber warum auch nicht, Reichweiten allein sind nicht mehr entscheidend. Wir wollen gezielt bestimmte Menschen erreichen: Themen vermitteln, ein wenig bilden und ein Gespür für Veränderungen transportieren, Nutzern zeigen, was die digitale Welt bringt, ohne davor Angst zu machen. Das ist natürlich eine Nische, die in der Online-Welt auch sehr selbstreflektierend wahrgenommen wird.
Wie stark orientiert sich die Isarrunde an klassischen Talkshows?
Es ist ein Korsett, das sich auf viele anderen Talk-Themen adaptieren läßt – im Ergebnis ist es noch zu sehr an der normalen TV-Talksendung dran. Eine Talkshow am Abend ist kostengünstiges Programm für einen Sender, der 24-7 Content braucht. Da gäbe es nur wenig Formate die günstiger zu produzieren werden. Daher gibt es Talkshows. Im Netz ist das anders. Hier gibt es diesen 24-7 Druck nicht. Ergo sind Talkformate oder Präsentationen (wie Tedx) so großartig sie auch sein mögen, noch sehr einfach und am Beginn einer Umwälzung. Spannend wird es, wenn Shows in der Art von Schlag den Raab, oder wer wird Millionär oder Reportagen als originäres Web-TV kommen. Nichtsdestotrotz werden wir an der Isarrunde und Spreerunde erst mal so festhalten und sie weiterentwickeln.
Vielen Dank für das Interview.