Trendblogger-Jahrgang 2013/2014 - „Hola, cómo va?“ Die Argentinier gehen sowohl miteinander als auch mit Ausländern wie mir sehr freundlich um. Ein „wie geht´s“ unter Fremden hört man eher selten in Frankfurt (Oder), wo ich den Master of Intercultural Communications studiere. Während meines Studienaufenthaltes in Buenos Aires bin ich gespannt, was mir alles auffällt rund um Medientrends und -innovationen, um darüber zu berichten!


Der Geschmack der Begegnung

Quilmes – das Bier, das Männer und Frauen zusammenbringt. Auf Augenhöhe. Gleichstellt. Wunderbar! Oder? Der Schein trügt vielleicht. Es fällt einem eventuell nicht auf, wenn man den Werbespot der beliebtesten Biermarke Argentiniens das erste Mal anschaut…Doch sorgte die Werbung nach der Ausstrahlung zunächst für Aufsehen und Polemik.

Anfang des Jahres 2012 wurde der Quilmes-Werbespot publiziert. Der Slogan:

“Wenn Machismus und Feminismus aufeinander treffen, entsteht ´Igualismo´. Quilmes, der Geschmack der Begegnung”.

Zwei Gruppen, zwei Geschlechter, ein Kampf. Und die Versöhnung. Oder so ähnlich. Im Verlauf des Werbefilms wird den Männern und Frauen vom jeweils anderen Geschlecht ihre stereotypischen „Macken“ auf dem Tablett serviert. Es wird ein stigmatisiertes Bild erzeugt; die Wirklichkeit sehr verzerrt dargestellt. Aus dem spanischen Wort  „Igualdad“ für Gleichheit, wurde das Wort „Igualismo“ kreiert, die Verschmelzung von Machismo und Feminismo zum Igualismo. Buenísimo!

Quilmes zeigt hier die typischen Mann-/Frau-Klischees (über „typisch“ könnte man sich jetzt wahrscheinlich auch streiten). Den Männern wird u. a. vorgeworfen, sie würden zu viel Zeit mit ihren Kumpels statt mit ihren Freundinnen verbringen. Im Gegenzug beschweren sich die Männer über die Frauen, sie seien zu anhänglich. Mann will keine Vorschriften von Frau, wann er zu Hause zu sein hat.

In der Werbung werden Machismus und Feminismus einander gegenübergestellt, doch stellen diese Konzepte ja eigentlich gar keinen Gegensatz dar. Da wird ein Dichotomie konstruiert, wo eigentlich keine ist. Und dann resultiert da noch dieser scheinbare „Igualismo“. In Argentinien. DEM Macho-Land. Wo scheinbar die Mehrheit der Frauen und jungen Mädchen es eigentlich genießen klein und dünn und zierlich (und barbieähnlich operiert) zu sein, den starken, sie beschützenden und für sie zahlenden Mann an ihrer Seite. Natürlich, dem Klischee entsprechend, erziehen diese Frauen wiederum ihre Töchter und Söhne nach ihrem Bild der Geschlechter-Rollenverteilung, denn der Mann ist außer Haus und muss das Geld verdienen. Ein Teufelskreis.

Aber das heißt lange nicht, dass keine zähe und kämpferische Natur in den argentinischen Vollblutweibern schlummert. Sehr stolz sind sie – zu Recht – über die Errungenschaft des passiven und aktiven Wahlrechts 1947! Verantwortlich dafür war die damalige Präsidentengattin Eva Perón, heutige argentinische Nationalheldin und feministisches Vorbild. Diesen Meilenstein in der frauenpolitischen Geschichte soll ihnen auch keiner mehr nehmen. Den Stolz hört man laut und deutlich im Werbespot. Generell ändern sich allmählich die Zeiten (aber immer mit der Ruhe in Südamerika): Seit 1991 schreibt das Gesetz einen 30%igen Frauenanteil im Wahlprogramm vor und seit 2007 wird Argentinien „sogar“ von einer Frau regiert! Andererseits sind sie dann aber wieder rückständig was den Schwangerschaftsabbruch angeht. Abtreibung ist noch immer strengstens verboten und ein heikles Thema.

Im Werbespot wollen sich weder Männer noch Frauen gegenseitig unterdrücken lassen und unterwürfig sein. Aha. Allerdings sind sie beim Aufeinandertreffen immer noch in ihren stereotypischen Rollen gefangen. Nicht. Gleich. Sie akzeptieren schlichtweg die genderspezifischen Merkmale, die ihnen von der Gesellschaft zugeschrieben wurden: Die Frau wäscht die dreckige Unterwäsche vom Mann (nicht andersrum) und er erlaubt ihr, sein Handy nach geheimen Nachrichten zu durchforsten oder überweist ihr Geld auf die Kreditkarte, damit sie mal so richtig shoppen gehen kann (nicht andersrum). Das finden sie dann auch noch toll! Happy End!

Und zu guter Letzt, nach der fröhlichen Zusammenkunft von Männlein und Weiblein, singt Joe Cocker „Love lift us up where we belong“.

 

Quellen: http://www.obserdiscriminacion.gob.ar/?p=1157http://icadecom.blogspot.com.ar/2012/07/propaganda-quilmes-igualismo.htmlhttp://www.argentinaindependent.com/socialissues/urbanlife/mediated-women-female-representation-in-the-argentine-media/#comments