Lyon,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 Bonjour. Ich heiße Mareike, bin ein Berliner Urgestein und 24 Jahre alt. Ich studiere Kulturwissenschaften in Frankfurt Oder, verbringe die kommenden 10 Monate jedoch in Lyon und erkunde die französische Universitätslandschaft am Institut d’Études Politiques. Während es die meisten nach Paris verschlägt, war für mich Lyon die erste Wahl. Lyon ist nicht nur „la ville de gueule“ (frei: „Stadt der Gaumenfreuden“), sondern bietet allerlei Entdeckenswertes. Um nicht vollends dem guten Essen zu verfallen, widme ich mich sinnvolleren Beschäftigungen und werde mich für euch auf die Suche nach den neuesten Medientrends und -innovationen machen. Fragen, Kritik und Anregungen sind absolut erwünscht. Na dann, allons-y!


Data is the new oil – französische Medien und der Datenjournalismus

Mit We Do Data und Dataveyes gibt es gleich zwei französische Projekte, die den Zeitungsredaktionen beim Thema Datenjournalismus unter die Arme greifen.

«c’est juste être journaliste en France en 2012»

Zu Beginn des Jahres 2010 wurde dem Datenjournalismus oder „le journalisme de données“, wie man ihn in Frankreich nennt, um einen Anglizismus zu umgehen, noch bescheinigt, er etabliere sich nur sehr schleppend in Frankreich. Zwei Jahre später betont Karen Bastien, ehemalige Chef-Redakteurin der Tageszeitung „Libération“, in einem Interview, dass der Umgang mit Daten eine Selbstverständlichkeit für den französischen Journalismus geworden ist.

Die Zusammenstellung, Aufbereitung und Visualisierung von Daten raubt den Journalisten vor allem eines: Zeit. Zeit, die in ihrem alltäglichen Arbeitsleben ohnehin knapp ist. Karen Bastien stellt fest:

 Man muss eines beachten: der Datenjournalist, genau wie der Investigativjournalist, braucht sehr viel Zeit für seine Arbeit. Sie passt nicht in den alltäglichen Arbeitsablauf.

Aus diesem Grund hat Bastien We Do Data ins Leben gerufen. Journalisten wenden sich We Do Data logomit Aufträgen an We Do Data, die sich wiederum um die grafische Aufarbeitung der Daten kümmern. Das Projekt verfügt leider derzeit noch über keine eigene Homepage – eine etwas schwache Leistung. Dafür kann man die Arbeit von We do data auf Facebook inspizieren. Karen Bastien bestätigt im bereits erwähnten Interview, dass der Markt des Datenjournalismus boomt und We Do Data bereits etliche Projekte abweisen musste.

Vor kurzem veröffentlichte die öffentlich-rechtliche Radioanstalt radio france in Zusammenarbeit mit We Do Data anlässlich des 50. Jubiläums des Élysée-Vertrages am 22.Januar eine grafische Übersicht der 25 meist gebrauchten Worte in 55 deutschen, 55 französischen und 24 gemeinsamen Reden von den jeweiligen KanzlerInnen und Präsidenten im Zeitraum von 1963-2012.

Natürlich sind derartige Zusammenstellungen interessant, doch es stellt sich trotzdem die Frage: Bringen diese Projekte einen Mehrwert für den Journalismus?

«Data ist the new oil. Extract Meaning, Refine knowledge.»

Für Carolin Goulard stellt sich diese Frage nicht. In einem Interview sagt sie:

Daten nehmen in unserer Informationswelt eine immer wichtigere Rolle ein. Wir wissen bisher nur sehr schlecht, mit diesen Daten umzugehen, sie zu begreifen und einen Informationsgehalt daraus zu ziehen […]. Zudem sind wir auch im Web noch viel zu sehr auf die verbale Kommunikation konzentriert […]. Wir werden jedoch feststellen, dass es auch andere Formen von Information und Intelligenz gibt, die stärker visuell und interaktiv ausgerichtet sind.

Goulard, auch „Lady Data“ genannt, gründete mit drei Kommilitonen das französische Start-Up Dataveyes, das sich genau wie We do Data um die Aufbereitung und Visualisierung von Daten kümmert. Die Arbeit von Dataveyes ist in folgendem Video sehr anschaulich gezeigt:

Lady Data erklärt, warum die Projekte wie Dataveyes für die Journalisten hilfreich sind:

Der Datenjournalist schreibt keinen Artikel, er schafft eine interaktive Visualisierung.

Für aufwändigere Projekte brauche es, neben den Informationen des Journalisten zu seinem Artikel, oft noch einen Grafiker und einen Programmierer. Für das monatlich erscheinende Magazin L’Express erstellte das Team von Dataveyes eine sehr gelungene Darstellung der französischen Parteienlandschaft, der Verbindungen der Parteien untereinander sowie deren Finanzierung im Jahr 2009. An diesem Projekt saß das Team, unter anderem auch aus Zeitmangel aufgrund anderer Verpflichtungen, etwa einen Monat – ein Aufwand, der für viele Journalisten nicht zu bewältigen ist.

Über den Sinn oder Unsinn des Datenjournalismus lohnt es sich wohl nicht mehr zu streiten, denn Fakt ist: Diese Art des Journalismus ist längst im Informationsalltag integriert. Allerdings ist der Arbeitsaufwand für die Artikel Visualisierungen für die Zeitungsredaktionen bisher noch zu hoch und wird daher an Projekte wie We Do Data oder Dataveyes abgegeben. Fraglich bleibt, ob man die benötigten Statistiker, Grafiker und Programmierer in Zukunft in die Redaktionen einbinden  oder die Arbeit weiter outsourcen wird. Man wird sich Gedanken machen müssen, denn der Datenjournalismus ist keine zeitweilige Modererscheinung und es reicht nicht, alle halbe Jahre einen grafisch aufbereiteten Artikel zu veröffentlichen.

Ein weiteres Beispiel für interaktiven Datenjournalismus aus dem französischen Nachbarland hat unsere Trendbloggerin Karin mit dem véritomètre vorgestellt.

3 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. Hallo Mareike, interessant die Vorstellung der französischen StartUps, die die Visualierungs-Lücke entdeckt haben und mit ihrem Angebot nun auf Erfolg stoßen. Ein weiteres junges, französisches Unternehmen ist Qunb (www.qunb.fr), das sich auf die Auswertung und Visualisierung von Data spezialisiert. Die scheinen sich jedoch mehr auf Kunden aus dem Bereich Business und Marketing zu konzentrieren…

  2. Pingback: Open Data- Zugang vs. Zugänglichkeit und die Rolle des Datenjournalismus | Die Trendblogger