Strasbourg,

Trendblogger-Jahrgang 2012/2013
„Welkumma en unsrem scheena Strossburi“ heißt es für mich. Der Dialekt verrät es bereits: Aus dem Herzen Frankreichs werde ich nicht schreiben. Dafür allerdings aus dem Herzen Europas: Mit ihren vielen europäischen Institutionen bezeichnet sich Straßburg nämlich selbst als „Hauptstadt Europas“. Der Job hat mich über die Grenze verschlagen und wegen der Vielfältigkeit der kulturellen Einflüsse bin ich geblieben. Beste Voraussetzung also, um nicht nur über französische sondern auch über europaweite Medientrends zu berichten.



Alain Bieber von ARTE Creative: „Ein guter Kurator ist jemand, der nichts vorschreibt, sondern den Künstler unterstützt“

Netzwerk, Labor und Magazin: Die Internetplattform ARTE Creative

Mit ARTE Creative initiierte der TV-Sender ARTE 2011 eine Internetplattform, die Talentschmiede, Netzwerk, Labor und Magazin in einem ist. Inzwischen zählt die Community über 3.000 Kreative und 128 Partner. Oberste Regel: Es wird streng kuratiert! Der Vorteil: keine Amateurinhalte, dafür 100 % Innovation und Talent. Ein Gespräch mit Alain Bieber, Projektleiter von ARTE Creative, warum es wichtig ist, Inhalte im Netz zu kuratieren.

ARTE Creative bezeichnet sich selbst als ein Netzwerk, Labor und Magazin. Was kann ich mir darunter genau vorstellen?

„Netzwerk“ bedeutet: Wir bauen eine Community für Kreative auf, mit denen wir wiederum zusammenarbeiten – als Talentschmiede und Nachwuchsförderung. Jeder aufgenommene Künstler hat seinen eigenen „channel“, auf den er seine Arbeiten beispielsweise in Form von Fotos, Musik oder Videos stellen kann. Neben den etwa 3.000 Kreativen, die derzeit bei ARTE Creative posten, haben wir Partnerschaften mit Hochschulen, Institutionen, Festivals usw. Diese Partner, wie beispielsweise der Berliner Kunstverein, die Transmediale oder auch das ZKM Karlsruhe, haben ebenfalls „channels“ und beliefern uns aus ihren Archiven mit kuratierten Inhalten.
Im „Labor“ wiederum probieren wir ganz neue Dinge aus. Gerade haben wir das crossmediale Projekt „Alles für die Kunst“. Künstler konnten sich bei uns auf ARTE Creative für die TV-Masterclass bewerben, die ab November auf ARTE ausgestrahlt wird. Zusätzlich gibt es einen Online-Workshop, der in verschiedenen Lektionen der Frage „Was ist eigentlich Kunst“ nachgeht.
Mit dem „Magazin“ kontextualisieren wir die Werke von Künstlern. Neben ihren Arbeiten präsentieren wir beispielweise Künstlerporträts oder Interviews. Dabei sind wir in der Form der Darstellung selbst kreativ.

Warum sollte ich mich als Kreativer bei Eurer Plattform anmelden?

Wir sind ein kostenloser Dienst. Darüber hinaus gibt es bei uns keine Werbung, wie etwa auf Youtube. Als Künstler kann man sich also ein relativ „cleanes“ Profil anlegen, was nichts kostet. Ein weiterer Vorteil ist die Selektion. Das heißt, es kann sich jeder bewerben, aber es kann nicht jeder automatisch mitmachen. Damit erreichen wir eine hohe Qualität.
Die Leute, die es in unsere Community schaffen, unterstützen wir wiederum, indem wir ihre Arbeiten beispielsweise auf unsere Startseite setzen. Zusammen mit einigen dieser Künstler machen wir auch Projekte, zum Beispiel in Form einer Web-Serie.

ARTE Creative hat ein Netzwerk, das redaktionell betreut wird. Welche Kriterien setzt Ihr beim Kuratieren an?

Bei der Auswahl ist uns Qualität am wichtigsten, der jeweilige Hintergrund der Künstler spielt dabei keine Rolle. Das bedeutet, es ist egal, ob man bereits einen Namen in der Kunstszene hat oder nicht, ob man fünf oder 50 ist oder ob man Kunst studiert hat. Auch persönlicher Geschmack spielt keine Rolle. Uns ist wichtig, dass der Künstler eine gute Arbeit macht.

Alain Bieber ist Projektleiter bei ARTE Creative und bloggt in seiner Freizeit auf http://rebelart.net/

Welche Fähigkeiten muss Deiner Meinung nach ein guter Kurator mitbringen?

Für mich ist ein guter Kurator jemand, der nicht vorschreibt, wie er sich die künstlerische Arbeit vorstellt. Bei ARTE Creative versuchen wir, die Künstler zu unterstützen und ihnen ein konstruktives Feedback zu geben – ohne dabei zu lenken oder zu beeinflussen.

Welche Vorteile habe ich als Kreativer davon, wenn eine redaktionelle Betreuung stattfindet?

Neben dem Feedback, das wir den Künstlern geben, helfen wir ihnen auch oft, bekannter zu werden – gerade weil wir mit vielen jungen Künstlern zusammenarbeiten, die noch keinen Namen in der Kunstszene haben. Bei größeren Projekten, bei denen wir mit Künstlern aus der Community zusammenarbeiten, bedeutet dies auch eine finanzielle Unterstützung ihrer Ideen und Arbeiten.

Welche Vorteile habe ich als normaler User der Website, wenn eine Kuratierung des Angebots stattfindet?

Auf vielen Plattformen wie beispielsweise Youtube gibt es inzwischen eine Art „Overkill“ an Informationen. Der normale User ist von dem Angebot oft überfordert. Bei ARTE Creative filtern und sortieren wir die Inhalte für unsere Zielgruppe vor. Mit unserer Redaktion – bestehend aus jungen Leuten – aber auch den Medienpartnern und Institutionen entsteht so ein erstklassiges Angebot.

Was sind Eure zukünftigen Projekte?

Neben dem Relaunch der Homepage haben wir für 2013 als großes und umfangreiches Projekt „About Blank“ geplant. In dieser TV-Serie, die auf ARTE ausgestrahlt werden wird, werden Beiträge von ARTE Creative ihren Platz finden. Zusätzlich soll es eine App zur Sendung geben, die passende Inhalte ausspielt – je nachdem, wo man sich in der Sendung befindet. In einer dritten Ebene verschmelzen Realität und Fiktion. Das heißt, die Hauptprotagonistin der TV-Serie lebt bereits jetzt im Netz – zum Beispiel durch einen eigenen Facebook-Account – und hinterlässt dort digitale Spuren.

Zum Schluss: Was ist Dein derzeitiges Highlight auf ARTE Creative?

Was mir derzeit persönlich besonders gefällt, ist das Projekt „Radical Drift“. Das sind zwei Künstler, die für ein Jahr lang auf Weltreise gehen und ein interaktives Reisetagebuch von ihren künstlerischen Abenteuern machen.

Bilder: © ARTE Creative, ARTE Creative/Ondro Ovesny

2 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. Ein wirklich sehr interessantes Projekt! Und ein toller Artikel (:
    Auf Youtube herrscht wohl tatsächlich Informations-Overkill und dort wird man auch nicht zwangsläufig mit qualitativ hochwertiger Arbeit berühmt, wie Justin Bieber beweist 😉

  2. Pingback: Virtuelle Redaktionssitzung der Trendblogger – mit Tatiana Brode von Carta.info | Die Trendblogger