Gent,
Trendblogger-Jahrgang 2013/2014 Ich heiße Jana, bin 26 Jahre alt und studiere in Leipzig im Master Journalistik. Jetzt zieht es mich für ein Semester nach Gent. Im Schatten der europäischen Hauptstadt Brüssel gelegen, werden die schönen Städte Flanderns gerne übersehen. Doch neben biertjes, frietjes und wafeltjes, gibt es auch dort Medientrends- und innovationen zu entdecken. Über diese werde ich ein halbes Jahr lang für euch berichten.


Nur mit Bürgerjournalisten ist dein Lokalblog erfolgreich

Ein Lokalblog oder auch eine Lokalredaktion kann nur glänzen, wenn Bürgerjournalisten dahinter stehen. Das belgische Projekt „Het Belang van mijn gemeente“ beweist es.

het belang van mijn gemeente

Ein Lokalblog kann nur erfolgreich sein, wenn Bürger mitarbeiten und eigene Geschichten aus der Nachbarschaft erzählen. Bürger sind nah dran am Geschehen, kennen den Bäcker, den Metzger oder den Lehrer aus der Gemeinde, und wissen, was die Menschen bewegt.

Die belgische Zeitung „Het Belang van Limburg“ (auf Deutsch: „das Interesse von Limburg“) unterstützt diese Idee. Seit März 2011 nehmen 48 Gemeinden an dem Projekt „Het Belang van mijn gemeente“ teil – eine Website und eine Zeitung von und für die Bewohner jeder Gemeinde. Dabei wird hauptsächlich auf den Faktor Bürgerjournalismus gesetzt. Mehr als 7000 Bürgerjournalisten haben sich inzwischen registriert und berichten aus ihrer Nachbarschaft über lokale Themen, veröffentlichen Fotos und kündigen Veranstaltungen an. Die Texte der Bürger koexistieren neben den Artikeln der professionellen Journalisten.

Hyperlokaler Bürgerjournalismus ist eine Stütze für Lokalblogs oder Lokalzeitungen. Fünf Gründe, warum es positiv ist, wenn sich Bürgerjournalisten engagieren:

1. Bürgerjournalisten sind nah dran am Geschehen. Von morgens bis abends. Sie leben und arbeiten in ihrer Gemeinde. Sie wollen auf Probleme aufmerksam machen und Veränderungen herbeiführen. Und Bürgerjournalisten liefern den Redaktionen neue Geschichten. So konnte in Limburg ein Gemeindebewohner den Absturz eines Flugzeuges melden. „Niemand wusste etwas davon, aber es war wahr. Das sind News, die wir sonst nie gehabt hätten, “ so Bart Bijnens, Projektmanager bei „Het Belang van Limburg“.

2. Oft ist in Gemeinden nur noch eine Zeitung vorhanden, die somit eine Monopolstellung innehat. Dies kann zu Qualitätsverlusten und einer einseitigen Berichterstattung führen. Bürgerjournalisten fördern die Themen- und Ideenvielfalt. Sie sind in die Gemeinschaft eingebunden und berichten abwechslungsreich sowie unabhängig. Bei dem belgischen Projekt „Het Belang van mijn gemeente“ hat jede Gemeinde eine eigene Zeitung und eine eigene Internetseite, vollgepackt mit aktuellen Nachrichten rund um den Ort. So entsteht auch eine Leser-Blatt-Bindung.

Volle Seite

3. Bürgerjournalisten wissen welche Nachrichten für die Gemeinde relevant sind: Muss die Grundschule saniert werden, fehlt es an Spielplätzen oder ist die Hauptstraße mit Löchern übersät?

4. Lokalredaktionen leiden oft unter Zeitdruck sowie Personalmangel. Daher werden im Lokalteil gerne Pressemitteilungen genutzt. Die eigene Meinung oder Stimmen Dritter fließen so vergleichsweise selten in die Berichterstattung ein. Bürgerjournalisten dagegen lassen auch Personen und Gruppen ohne professionelle Außendarstellung zu Wort kommen, da sie ihnen im täglichen Leben begegnen. Bei „Het Belang van Limburg“ wird auch über aktuelle Themen abgestimmt, um ein Stimmungsbild aus der Bevölkerung zu erhalten.

Abstimmung

5. Es gibt eine ganz neue Auswahl an sublokal agierenden Anzeigenkunden. Bei hyperlokalen Blättern will auch der Bäcker von nebenan seine Werbung schalten. Auch „Het Belang van Limburg“ hat seit der Einführung des Projektes steigende Erlöse. Neue Kunden haben das Blatt für sich entdeckt.

Natürlich gibt es auch Nachteile. Bürgerjournalismus steht noch immer in der Kritik, weil Amateure die Arbeit von professionellen Journalisten übernehmen und nicht immer ausreichend qualifiziert sind. Viele Redaktionen werden von der neuen Konkurrenz unter Druck gesetzt. Ganz klar ist, dass professionelle Journalisten die Texte gegenrecherchieren und sie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen müssen.  Nur so kann garantiert werden, dass es keine Qualitätsverluste gibt.

Trotzdem: Für deutsche Gemeinden wäre dieses Projekt ein Weg in Richtung Zukunft, denn sie werden oft nur noch oberflächlich von Journalisten betreut. Nicht weil diese kein Interesse haben, sondern, weil meist wenige Journalisten für unzählige Gemeinden zuständig sind. Die alte Form des Journalismus – also der Einsatz von professionellen Journalisten – muss beibehalten werden. Bürgerjournalisten können zusätzlich in die Nachrichtenproduktion eingebunden werden.

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Fotos: Screenshots

10 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. Hi Jana,

    finde es super, dass du das Thema Bürgerjournalismus aufgreifst. Irgendwie ist es in der Debatte um den Journalismus im letzten Jahr etwas untergetaucht, obwohl das in der Realität anders ausschaut.

    Dass Bürgerjournalsiten (oder einfach: Bürger) in mehrfacher Hinsicht sinnvoll sein können für das journalistische Angebot, das hast du schön beschrieben und aufgezählt – die Nachteile nicht verschwiegen. Sehe das im Endeffekt genauso wie du: Journalisten müssen die Hauptrolle übernehmen, Bürgerjournalisten können nur eine Ergänzung sein. Man muss sich aber aktiv um sie kümmern und nicht einfach mal ebenso Leserbriefe abdrucken oder online stellen…

    • Das stimmt, Bürgerjournalisten sind günstiger. Ich denke aber, dass Bürgerjournalisten professionelle Redakteure nicht ersetzen können. Das sollte den Zeitungen/Verlagen bewusst sein.

  2. Hallo Jana, interessanter Beitrag! Deine Thesen kann ich durchaus unterstützen (und evtl ergänzen). Was Deutschland angeht: schon mal gehört von lokalkompass.de? Diese Community umfasst weit über 50.000 Mitglieder, jeder Ort wird von Lokal(Zeitungs)-Journalisten betreut! Bei Fragen einfach melden.

    Beste Grüße
    Stanley Vitte, Redaktion und Community-Management lokalkompass.de

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