Abnehmende Werbeeinnahmen und Leserzahlen stellen Verlagshäuser weltweit vor große Herausforderungen. Die Umwälzung der Zeitungslandschaft ist dabei kein rein europäisches oder US-amerikanisches Phänomen. Auch in Lateinamerika sucht man verzweifelt nach neuen Finanzierungswegen. Unkonventionelle Wege eröffnen dabei zunächst vor allem Nischenprojekten ganz andere Möglichkeiten.
Ein Dollar für Zehn
Weltweit kämpfen Printmeden um ihr Überleben. Erst vergangene Woche kündigte Gruner+Jahr das Ende der Financial Times Deutschland an. Nicht nur in Europa sondern auch in Lateinamerika ist man ratlos angesichts der Entwicklungen. Erst im Oktober zeigten sich die Teilnehmer der Generalversammlung der Interamerikanischen Pressegesellschaft im Oktober hilflos: „Jeder Dollar der über dem Online-Auftritt eingenommen wird, zerstört zehn Dollar Werbeeinnahmen aus Printmedien“.
Finanzen nur EIN Problem der lateinamerikanischen Zeitungen
Dabei hat das große Zeitungssterben hierzulande noch gar nicht eingesetzt. Ein Grund ist sicherlich nicht zuletzt die enge Bindung der Medien an politische Parteien. Die Krise drängt die Zeitungen näher in der Arme der politischen Machthaber. Erst Mitte November drehte sich der Korruptionsprozess um den ehemaligen peruanischen Staatspräsidenten Alberto Fujimori vor allem um die finanzielle Unterstützung ausgewählter kleiner Verlagshäuser. In Argentinien ist Präsidentin Christina Fernández de Kirchner gerade dabei, den einflussreichen aber regierungskritischen Medienkonzern Clarin zu zerschlagen.
Neue Finanzierungsmodelle für politische Unabhängigkeit
Eine Möglichkeit sind Bürger-Journalismus-Projekte wie die argentinische Online-Plattform, Publikationsquelle und Nachrichtenagentur La Vaca (deutsch: die Kuh). La Vaca finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und ist vor allem aufgrund von Kooperationen mit Gemeinschaftsradio-Stationen so flächendeckend und rentabel präsent. Die dazugehörige Zeitung MU erscheint seit 2006 einmal im Monat mit einer Auflage von 10.000 und ist im Kiosk oder über Abonnements erhältlich. Der Zeitung ist die Graswurzel-Finanzierung anzumerken – im taz-Stil stehen vor allem soziale Themen im Vordergrund.
Hilf den Indy drucken
Eine eher kürzere Bindung verlangt der englischsprachige Argentina Independent. Die in Buenos Aires beheimatete Onlinezeitung soll demnächst auch einmal im Monat in gedruckter Form erscheinen. In den letzten Monaten wurde dafür auf der spanischsprachigen Crowdfunding-Plattform ideame gesammelt. Das Ziel von 5000 US-Dollar wurde im Juni nach nur zwei Monaten erreicht. Der Argentina Independent soll dazu beitragen, argentinische Themen auch einem nicht-spanischsprachigen Auditorium besser zugänglich zu machen.
Die Masse machts
Crowdfunding-Plattformen sind in Lateinamerika gerade groß im Kommen. Neben der vergleichsweise alten Plattform ideame, welche sich vor allem an dem erfolgreichen US-amerikanischen Kickstarters orientiert, gibt es seit kurzem auch Bananacash (für Theater- und Kinoprojekte), Groofi (anglo-argentinische Kooperation), Proyectarnos, Noblezaobliga (vor allem für soziale Projekte) oder Catarse (brasilianische Plattform). Darüber hinaus wird auch Goteo.org als europäischer aber spanischsprachiger Vertreter genutzt. Grundgedanke aller Crowdfunding-Seiten ist, kreative oder soziale oder innovative Projekt zu finanzieren, die sonst nicht zu Stande gekommen wären.
Crowdfunding für die Print-Presselandschaft
Auch wenn Crowdfunding-Projekte oder Bürger-Journalismus spannende und interessante Beispiele bieten, wird sich wohl die Zukunft der großen Zeitungen nur bedingt davon beeinflussen lassen. Zu nischenorientiert und zu wenig gewinnorientiert ist doch meist das Publikum. Wenn jedoch ähnlich dem US-amerikanischen Crowdfunding-Beispiel eine stärkere unternehmerische Komponente hinzutreten würde, könnte gegebenenfalls auch für strauchelnde lateinamerikanische Print-Produkte eine Lösung gefunden werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Publikum aufgrund mangelnder Qualität oder politischer Beeinflussung nicht bereits vorher ins Internet abgewandert ist – und die vielen Crowdfunding-Plattformen aufgrund des Konkurrenzdrucks nicht wieder in die Schreibtischschubladen der Visionäre.
Spannender Artikel! Gibt es denn Studien darüber, welche Art von Projekten über Crowdfunding besonders gut laufen?
Print-Produkte sind es sicherlich bislang nicht. Wenn ich die Ergebnisse der Crowdfunding-Studie von Karsten richtig interpretiere, kommt es primär gar nicht so sehr auf die Art des Projektes an, sondern vielmehr auf die Öffentlichkeit, die dafür hergestellt wird.
Oder Karsten, was sagen deine Erfahrungen?