Heute bin ich Frau, morgen Mann. Oder wie jetzt? Vor wenigen Tagen bin ich auf die Künstlergruppe BeAnotherLab gestoßen, die mit dem Projekt „The machine to be another“ die Idee vertritt, dass das bewusste Erleben des Selbst, nur durch das Verstehen des anderen möglich sei. Es ist ein gelungener Versuch, durch digitale Technologien, dem Web und neurowissenschaftlichen Methoden die Welt mal durch andere Augen zu sehen.
Das neueste Projekt des interdisziplinären Kunstkollektivs versucht, unter anderem mit Hilfe von Oculus-Rift-Headsets eine Maschine zu konstruieren, die es einem ermöglicht, in die Haut einer anderen Person, eines anderen Geschlechts zu schlüpfen. Und das mit dem schlüpfen ist beinahe wörtlich zu nehmen.
We develop Creative Commons tools based on OpenKnowledge and are collaborating with experimental psychologists and neurologists to develop usage procedures to ‘the machine’ as a low-budget rehabilitation system, and also as an immersive role playing system.
Mann und Frau stehen in einem Raum. Ihre Nasen tragen das Gerüst von Headsets, die durch eine integrierte Kamera die einzelnen Bewegungen in einem großen Sichtfeld und mit Hilfe schneller Sensoren äußerst detailreich erfassen. Entscheidend für das Experiment ist es, dass beide Probanden sich in gleichen Abständen synchron zum jeweils anderen bewegen. Durch die schnelle Datenübermittlung werden dann Eindrücke vermittelt, die beide Personen scheinbar in die Haut des jeweils anderen schlüpfen lassen.
Das ist eine Kunst für sich.
Doch hinter dem Projekt steht nicht der wissenschaftliche Durst nach der kalkulatorischen Erfassung des Menschen. Die Künstlergruppe verfolgt mit the machine to be another beinahe einen Denkanstoß bezüglich der phänomenologischen Frage: Wie stark wird meine Wahrnehmung der Welt durch die gegebene körperliche Konstitution beeinflusst?
“I’VE BEEN A GIRL, AN IMMIGRANT DANCER. FROM YOUNG TO OLD, I’VE BEING MANY, MANY PEOPLE.”
Es ist ein Projekt mit einem interessanten Hintergedanken: Empfinde den Körper des anderen und schärfe damit deine eigene Empathie. Doch kann das tatsächlich funktionieren? Zwar lässt einen die Technologie nicht der andere werden, doch diesen vielleicht tatsächlich etwas besser verstehen. Durch das Konzept des Kunstkollektivs wird eine Möglichkeit geboten, seine Umwelt perspektivisch anders zu erfassen – wenn auch nur kurzzeitig.
Mit dem Projekt wird deutlich darauf verwiesen, vielleicht hin und wieder die eigene Perspektive zu wechseln. Wenn auch nur, um sich selbst ein bisschen besser verstehen zu können. Ob nun mit VR-Brille oder nicht. Denn auch wenn die Unterteilung von selbst und dem anderen anfänglich auf eine indivualisitsche Weltansicht vermuten lässt, geht es hierbei doch vielmehr darum zu verstehen, dass wir alle zusammen in einer Welt leben – wenn auch nicht (perspektivisch) in der gleichen.