Zürich,
Trendblogger-Jahrgang 2013/2014 Salüt Zämä! Ich bin Christian, 21 Jahre alt und eigentlich Student in Trier. Ab September verbringe ich ein Auslandssemster mit dem Schwerpunkt Journalismus in der Schweiz. Über meine Erfahrungen, besonders natürlich mit Medienmenschen und -innovationen, lest ihr bald hier auf dietrendblogger.de. Alle, die noch mehr über die Erkenntnisse eines Schweizer Gaststudenten erfahren wollen, finden mich auch auf Twitter: @scub4


Fly me to the moon

Purplemoon.ch ist eine der größten LGBT(Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender)-Portale der Schweiz: Flirten, chatten oder einfach nur Gleichgesinnte kennen lernen stand für Gründer Andreas im Vordergrund. Heute organisieren er und sein Team Partys, haben 13.000 registrierte Nutzer_innen und eine eigene App. Auch Heteros sind willkommen.

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Foto: Dirk Vorderstraße, Bearbeitung: Christian Simon

Zu Beginn der Recherche dachte ich mir zuerst einmal folgendes: „Facebook ist doch so groß, man kann eigene Gruppen gründen, und es ist ohnehin schon jeder da. Wofür eine eigene Plattform?“. Abgesehen von dem enthaltenen Fatalismus gegenüber der Datenkrake Facebook ein auf den ersten Blick einleuchtender Gedankengang. Oder sind die Umstände für Homo- und Bisexuelle in der Schweiz tatsächlich so schlecht, dass ein geschützter Raum, ein eigenes LGBT-Facebook nötig ist?

Eigentlich geht die Schweiz mit dem gesamten Gender-Thema verhältnismäßig fortschrittlich um. Inklusive Sprache wird oft und freiwillig genutzt, und es wurden sogar schon generische Feminina gesichtet, ohne dass Männerköpfe explodiert wären. Auch die klassischen Konflikte um Frauenquote, Gender-Gap und ähnliche Streitpunkte werden hier undogmatischer und weit weniger schrill geführt als in Deutschland – zumindest in der breiteren Öffentlichkeit. Warum also Purplemoon? Um Antworten zu finden, habe ich Gründer Andreas eine Mail geschrieben.

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Die Antwort auf meine ersten, naiven Gedanken ist dann auch ganz einfach: Purplemoon gibt es schon länger als Facebook, nämlich seit 2002. Außerdem hinkt der Vergleich, denn bei Purplemoon legt man großen Wert auf Privatsphäre – außer einem Pseudonym, Geschlecht, Sexualität und Geburtstag müssen die Nutzer_innen nichts angeben. Auch die Rechenschaftsberichte mit Einnahmen, Ausgaben und Ähnlichem sind vollständig online einsehbar.

Den Vergleich zwischen Großstädten wie New York und der konservativen Schweiz scheut Andreas nicht: „Ich sehe an konservativen Werten durchaus positives: Für Purplemoon stehen ja auch Freundschaften und Beziehungen im Vordergrund, und dass man sich mit Respekt behandelt. Die Schnelllebigkeit von Großstädten hat sicher etwas Progressives und Spannendes, aber manchmal eben auch etwas Vergängliches und Oberflächliches.“ So gehe es bei Purplemoon im Gegensatz zu fast allen anderen schwulen/lesbischen Netzwerken nicht primär um Sex.

Trotz des großen Erfolges, den Purplemoon mit seinen 13.000 Nutzerinnen und Nutzern hat (davon übrigens auch etwa 10% Heteros), hofft der Gründer noch auf weitere Verbesserungen für LGBT-Rechte in der Schweiz. Auch wenn er die Situation durchaus positiv sieht, wünscht er sich mehr Aufklärung über sexuelle Identität an den Schulen – das könnte dann vielleicht auch die Suizid-Raten senken, die bei jungen Lesben und Schwulen auch in der Schweiz noch weit über dem Landesdurchschnitt liegen. Wie Andreas anfügt, braucht es ein Signal, dass Schwule und Lesben keine Sonderbehandlung, sondern Gleichberechtigung verdient haben.

Wenn Purplemoon mit seinem Angebot einen Teil dazu beitragen kann, hat sich die Gründung schon gelohnt.