Wie viele Stunden habt ihr letzte Nacht geschlafen? Wann war euer REM-Schlaf? Hat der Wecker zur richtigen Zeit geklingelt oder euch aus einer Tiefschlafphase gerissen? Keine Ahnung? Dann habt ihr wohl noch nichts vom Quantified-Self-Konzept gehört. Den Schlaf zu messen ist nur einer von vielen Bereichen, die das Konzept abdeckt. Zahlreiche Apps versprechen, den Alltag zu erleichtern, die Gesundheit zu verbessern, die Produktivität zu steigern, den Körper in all seinen Tätigkeiten zu messen und zu optimieren. Die Frage ist: Wer braucht all diese Daten? Diese und andere Fragen beantwortet Emmanuel Gadenne, Gründer des Quantified Self Paris und Autor des ersten Guides zum Konzept in Frankreich.
(Mareike) Herr Gadenne, haben Sie heute bereits eine Quantified-Self-App benutzt?
(Emanuelle) Ja, tatsächlich. Heute Morgen hat mich mein Fitbit-Flex-Armband mithilfe eines stillen Alarms geweckt, nachdem es die Länge und Qualität meines Schlafes gemessen hat. Ich habe mich daraufhin mit meiner Waage gewogen, die mit Withings verbunden ist und mir mein Gewicht via Bluetooth auf’s iPhone auf die Tactio-Health-App schickt. Im Laufe des Tages hat mein Fitbit-Flex-Armband auch die Anzahl meiner Schritte, die verbrauchten Kalorien, die gelaufenen Kilometer und die Anzahl der Etagen, die ich hinaufgestiegen bin, gemessen. Außerdem hat die App Brewster mein Verhalten in den sozialen Netzwerken analysiert. So habe ich automatisch sehen können, mit wem ich am meisten kommuniziert habe in letzter Zeit.
Was genau ist das Neue an der Quantified-Self-Bewegung? Haben die Menschen nicht früher schon z.B. ihr Gewicht notiert oder Ernährungstagebücher geführt?
Das stimmt. Maßnahmen zur Messung persönlicher Daten gibt es schon lange und wenn man beispielsweise sein Gewicht mit einem Stift auf dem Notizblock notiert, ist das schon sehr hilfreich. Das Neue sind natürlich die technischen Möglichkeiten: kostenlose Web-Apps, die unsere Daten in der Cloud speichern, mobile Apps, die uns auf Schritt und Tritt begleiten und die bereits auf dem Smartphone vorhandene Sensoren nutzen sowie kleinere Sensoren, die immer günstiger und effizienter sind und persönliche Daten registrieren, ohne dass man sich weiter darum kümmern muss.
Ich bevorzuge es, mich nicht jeden Tag zu wiegen. Falls meine Jeans nicht mehr passt, habe ich eben zugenommen. Glauben Sie, dass es nötig ist, derart detaillierte Informationen über den eigenen Körper zu erhalten? Sind die Menschen überhaupt in der Lage, die von den Apps gemessenen Daten richtig zu deuten?
Man ist tatsächlich zu der Erkenntnis gekommen, dass tägliches Wiegen sogar eher kontraproduktiv und wenig aussagekräftig ist. Für mich kommt es vor allem darauf an, mir Ziele zu setzen: einige Kilos verlieren, ein Minimum an körperlicher Bewegung, ausgewogenere Ernährungsgewohnheiten sowie ein längerer und besserer Schlaf. All diese Ziele sind kohärent, denn wie man weiß erschwert zu wenig Schlaf beispielsweise das Abnehmen. Das Fitbit-Flex-Armband ist hier ein gutes Beispiel, denn es registriert das Schlaf-, Bewegungs- und Ernährungsverhalten. Nicht mehr in seine Jeans zu passen ist doch schade, zumal es möglich ist, den genauen Taillenumfang zu messen und rechtzeitig zu merken, ob man sich hier um einige Zentimeter vergrößert hat, bevor man gleich die komplette Garderobe ändern muss.
Vielleicht wussten Sie das schon, aber die Deutschen haben ein Lieblingsthema: Datenschutz. Wir wollen nicht, dass unsere Haus bei Google Maps zu sehen ist und sind geschockt, wenn Firmen die Daten ihrer Kunden verkaufen. Die Geräte und Apps der Quantified-Self-Bewegung bieten vollkommen neue Möglichkeiten, Informationen über unser Privatleben und unseren Körper zu messen und zu speichern. Glauben Sie, dass das Quantified Self ein weiterer Schritt ist in Richtung des „gläsernen Menschens“?
Das Quantified Self spielt sich in drei Schritten ab: Datenerfassung, Analyse und das Teilen der persönlichen Daten. Allerdings entscheidet jeder selbst, ob wie und mit wem er seine Informationen teilt. Es ist außerdem möglich, seine Daten nur mit einem Arzt, mit der Familie oder Freunden zu teilen. In Frankreich rät das CNIL (Commission Nationale Informatique et Libertés), die nationale Datenschutzbehörde, seine persönlichen Daten nur in vertrauten Kreisen zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollte man seine Daten in sozialen Netzwerken nur unter Zuhilfenahme eines Pseudonym teilen und die automatische Veröffentlichung verhindern. Zuletzt empfiehlt das CNIL die eigenen Daten zu löschen, nachdem man einen Service nicht mehr nutzt.
Wie würden Sie einen Skeptiker von der Quantified-Self-Bewegung überzeugen? Was genau sind die Vorteile?
Um ihre persönlichen Daten zu erfassen, nutzen die Anhänger des Quantified Self Web-Apps, Smartphone-Appes, elektronische Sensoren, Tabellenkalkulationsprogramme oder ganz klassisch Stift und Papier. Das Quantified Self zu leben bedeutet, neugierig zu sein, neue Nutzungsverfahren, neue Geräte und neue Apps auszuprobieren. Das Quantified Self zu leben bedeutet auch, sich die Zeit zu nehmen, um auf den eigenen Körper zu achten, sich für Daten zu interessieren, die wirklich für einen zählen und nützlich sind für die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden. Es bedeutet auch, sich gerne mit anderen auszutauschen, ihren Erfahrungen zu lauschen. Wir glauben, dass man seine Ziele erreichen kann, indem man diese wiederum in einer längeren Kette kleinerer Erfolgsetappen angeht. Unter diesen Bedingungen und mit dieser Einstellung kann das Quantified Self helfen, sich besser kennen zu lernen, über sich hinauszuwachsen und sein Leben zu verbessern.
Und ihr, liebe Trendblogger-Leser, seid ihr überzeugt worden vom Quantified Self? Habt ihr vielleicht sogar schon Erfahrungen gesammelt mit den verschiedenen Apps? Vor kurzem wurde über das stille Aus eines der Quantified-Self-Pioniere, des Schlaftrackers Zeo, berichtet. Gründe waren neben der Finanzierung auch die Praktikabilität des Stirnbands, das man zur Schlafmessung nachts tragen musste. Würdet ihr gerne ein einmal derartige Geräte ausprobieren? Sagt es uns in den Kommentaren.