Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 „Welkumma en unsrem scheena Strossburi“ heißt es für mich. Der Dialekt verrät es bereits: Aus dem Herzen Frankreichs werde ich nicht schreiben. Dafür allerdings aus dem Herzen Europas: Mit ihren vielen europäischen Institutionen bezeichnet sich Straßburg nämlich selbst als „Hauptstadt Europas“. Der Job hat mich über die Grenze verschlagen und wegen der Vielfältigkeit der kulturellen Einflüsse bin ich geblieben. Beste Voraussetzung also, um nicht nur über französische sondern auch über europaweite Medientrends zu berichten.


Mitmachen und gewinnen: Fernsehen als partizipatives Event

Website der Seite "The Spiral"

Website der Seite „The Spiral“

Shows wie „DSDS“, „The Voice of Germany“ oder „Germany´s next Topmodel“ machen es vor: Mitmachen kann jeder und wer seine Sache besonders gut macht, gewinnt obendrein auch noch. Im letzten Herbst ging eine Serie noch weiter in diesem Unterhaltungsgedanken: In einem bis dahin einzigartigen Projekt rief die Serie „The Spiral“ den Fernsehzuschauer zum Mitmachen im Internet auf: Die Ergebnisse aus den im Internet gestellten Aufgaben flossen wiederum in die nächsten Folgen der Serie ein und wurden schließlich bei einem Live-Event in Brüssel gezeigt. Fernsehen, Internet und reale Begegnungen vereinigten sich zu einem partizipativen Event – der Zuschauer wurde ein Teil der Story. Nun wurde die Serie für den diesjährigen Emmy Award nominiert.

„The Spiral“ basiert auf folgender Idee: Während in der TV-Serie Bilder als Protestaktion aus Museen gestohlen wurden, verschwanden die echten Gemälde auch im wahren Leben aus den jeweiligen Museumsausstellungen. Die Protagonisten der Serie gaben die Bilder zur Post und damit ins weltweite Postsystem, sodass die Bilder ständig in Bewegung waren. Der Zuschauer wiederum konnte sich im Internet auf die Suche nach den entwendeten Bildern machen und diese täglich auf einer virtuellen Karte lokalisieren.

Spieleentwickler Jiannis Sotiropoulos ist Mitbegründer der Honig Studios und war mitverantwortlich für die inhaltliche Konzeption der Serie. Er erklärt, wie der Web-Auftritt zur Serie funktionierte: „Zentral war eine Karte, auf der die Spieler die gestohlenen Bilder finden mussten. Diese Suche lief täglich, denn die Bilder waren als Pakete im Postsystem und damit ständig in Bewegung. Für die Suche nach den gestohlenen Bildern verwendeten die Spieler Punkte, die sie zuvor durch die Lösung von Aufgaben erspielt hatten“.

Über eine Million Besucher auf der Website

Das Ergebnis: über eine Million Online-Besucher, 142.704 aktive Mitglieder auf der Website und 19.752 nutzergenerierte Inhalte. Und auch im Fernsehen kam die Serie auf zwei Millionen Zuschauer wöchentlich. Das klingt zunächst viel. Allerdings muss bedacht werden, dass die Serie europaweit von sieben Fernsehsendern gleichzeitig ausgestrahlt wurde. Auf ARTE, das das Format in Deutschland und Frankreich sendete, brachte es „The Spiral“ in der ersten Folge laut klamm.de auf gute 120.000 Zuschauer auf deutscher Seite – und damit auf 0,4 Prozent Marktanteil. Das sind selbst für ARTE schlechte Quoten, dessen Schnitt in der vorhergehenden Fernseh-Saison zwischen 0,6 und 0,7 Prozent lag.

Auch der harte Kern der Spieler im Internet war relativ klein. Spieleentwickler Sotiropoulos erklärt: „Die Kern-Community bestand aus etwa 400 Spielern, die neben den Spielen auch bei den Live-Events mitgemacht haben und wirklich Teil der Story waren“. Im Vergleich zu großen TV-Unterhaltungsshows wie „DSDS“ oder „Das Supertalent“, die allein Tausende Bewerber haben, ist das relativ wenig.
Das liegt auch am Thema der Serie. Denn Kunst interessiert nicht jeden. Zwar wurde das Beuyssche Motto, dass jeder Mensch ein Künstler ist, in der Serie aufgegriffen – das bedeutet jedoch nicht, dass jeder die Muße hat, künstlerisch tätig zu werden. Die Spieler wurden im Web unter anderem dazu aufgefordert, eigene kleine Kunstwerke zu schaffen, doch die Aufgaben wurden ganz unterschiedlich angenommen. Das „Yarn Bombing“, bei dem Schlaglöcher mit Wollkreationen ausgebessert werden sollten, wurde beispielsweise von genau einer Person umgesetzt. Vermutlich war die Aufgabe schlicht zu zeitraubend. Außerdem: Nicht jeder kann stricken oder häkeln. Man möchte einwenden, dass bei Unterhaltungsshows wie „DSDS“ oder „Das Supertalent“ vielen Teilnehmern gerade in den Eingangsfolgen oftmals ebenfalls Talent für die gestellten Aufgaben fehlt, doch dies ist Teil der Show und Unterhaltung und hindert die Leute nicht am Mitmachen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass auf „thespiral.eu“ vor allem die Online-Games ankamen. „Viele Casual Games liefen besonders gut, wie beispielsweise ‚Penguin Toss‘ oder ‚Canabalt‘“, so Sotiropoulos.

Innovation im Fernsehen

Das darf nicht über das innovative Potenzial der Serie hinwegtäuschen: Hier wurde experimentiert, Neues ausprobiert und neue Inhalte wurden geschaffen, die wiederum Teil von „The Spiral“ wurden. „The Spiral“ zeigt: Wenn sich die Macher trauen, können innovative Formate produziert werden. Die Idee, die von der Online-Community geschaffenen Bilder wieder in die Serie einfließen zu lassen, genauso wie die Übergabe der Bilder an die Museen durch Mitspieler sind ein genialer Schachzug. Die Storyline lief vom Fernsehen übers Internet und Live-Events zurück ins Fernsehen. So verschmolzen in der Serie sämtliche Möglichkeiten, die Fernsehen und Internet bieten, zu einem neuen partizipativen Event.
Damit zeigt das Format gleichzeitig, wohin es im Fernsehen gehen kann: Partizipatives TV könnte ein Teil der Fernseh-Zukunft werden. Kein Wunder also, dass die Serie Ende letzten Monats für den „International Digital Emmy Award“ nominiert wurde.

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    • Vielen Dank nochmals an das gesamte Honig Studio-Team! Euer Blog-Artikel ist übrigens sehr spannend.

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