Amsterdam,
„Journalism, Media and Globalization“ heißt der Studiengang für den ich vor zwei Jahren meiner Heimat Köln den Rücken gekehrt habe. Gemeinsam mit 70 Kommilitonen aus über 50 Nationen zog ich los um zu verstehen wie Journalismus in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts funktionieren wird. Drei Unis, zwei Länder und unzählige Seminare später weiß ich, das es keine klare Antwort gibt. Was es gibt sind Trends: Ideen, Projekte und Innovationen um auf die veränderten Rahmenbedingungen der Medienwelt zu reagieren. Aus Amsterdam werde ich für die Trendblogger nach solchen Innovationen Ausschau halten. Und wer weiß; vielleicht finden wir ja doch noch eine Antwort


Mehr Zeit zum Leben

Mit der Plattform ‚Tandemploy‘ wollen Anna Kaiser und Jana Tepe Jobsharing vereinfachen. Noch ist das Projekt in der Pilotphase, aber ein grundlegender Wandel in der Arbeitswelt spricht für den Erfolg des Startups.

Tandem

„Tandem“ by Prad Prathivi.
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Interviewanfrage an Anna Kaiser, Geschäftsführerin von Tandemploy. Die Antwort kommt vom Auto-responder: „Ich bin zur Zeit im Urlaub und nicht erreichbar“. Das ist schlecht, ich brauche das Interview schnell. Aber halt; da steht noch etwas in der Mail: „Zum Glück gibt es Jobsharing – Sie können sich gerne an Jana Tepe wenden“. Tepe ist ebenfalls Geschäftsführerin von Tandemploy, teilt sich die Position mit Kaiser. Am nächsten Tag skype ich mit Tepe, die Frage nach den Vorteilen des Jobsharing hat sich fast schon von selbst beantwortet. Die beiden Gründer von Tandemploy machen vor, wofür ihre Internet-Plattform steht: Das Teilen von Arbeitsplätzen zum Vorteil von Arbeitnehmern und -gebern.

Die Idee des Jobsharing ist einfach: Zwei oder mehr Leute schließen sich zusammen und bewerben sich gemeinsam auf eine Stelle. Bekommen sie den Job, müssen sich die Jobsharer um die Verteilung der Arbeit kümmern. Von Mitarbeitern und Vorgesetzten werden sie behandelt wie eine Person. Im Idealfall ist das eine Win-Win-Situation. Die Arbeitgeber gewinnen, weil Teilzeitkräfte seltener krank und im Schnitt 10-15% produktiver sind. Die Arbeitnehmer gewinnen vor Allem mehr Zeit für Familie, Weiterbildung oder Freizeit. Auf tandemploy.com heißt das „Mehr Zeit zum Leben“.

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Anna Kaiser & Jana Tepe
Foto: Tandemploy

Tepe und Kaiser arbeiten seit Mitte 2013 daran, dass es häufiger zu dieser Win-Win-Situation kommt. Damals waren die Beiden noch in der Personalberatung tätig. „Plötzlich saßen da zwei Leute beim Vorstellungsgespräch, die sich gemeinsam auf eine Stelle beworben haben. Wir waren begeistert von der Idee.“ Als sie merken, dass es keine Netzwerke gibt, die Jobsharing-interessierte Arbeitgeber und -nehmer zusammenführen, schmeißen sie ihre alten Jobs und gründen Tandemploy. Seit Oktober 2013 ist die Website online. Unternehmen können dort Stellen ausschreiben, Privatpersonen ein Profil erstellen und nach ‚Tandempartnern‘ suchen.

Ist der Kurzfragebogen ausgefüllt, erhält man eine Auswertung mit der man sich auf die Suche nach potentiellen Tandempartnern begeben kann. In Zukunft wird die Seite automatisch ein Matching durchführen und passende Personen vorschlagen. Aber, „wenn man so eng zusammen arbeitet ist es natürlich wichtig, dass man gut miteinander auskommt“, sagt Tepe. Bevor der gemeinsamen Bewerbung, stehen daher in der Regel einige persönliche Treffen, um zu gucken, ob man als Team funktionieren kann. Sitzt man erstmal im Bewerbungsgespräch haben die Jobsharer alle Argumente auf ihrer Seite: Denn für die Arbeitgeber wird die doppelte Versicherung erst ab bestimmten Gehaltsstufen teurer. Und selbst dann können sie mit Arbeitskräften rechnen, die diese Mehrkosten durch ihre höhere Produktivität mehr als kompensieren.

Vieles spricht dafür, dass Tepe und Kaiser mit Tandemploy einen guten Riecher bewiesen haben. Die Zahl der deutschen Unternehmen, die Jobsharing anbieten ist zwischen 2003 und 2009 von neun auf zwanzig Prozent gestiegen. Auch wenn es keine aktuelleren Zahlen gibt, kann man davon ausgehen, dass der Anteil mittlerweile bedeutend höher liegt.  Der steigende Bedarf an Jobsharing zeigt, dass sich besonders unter jüngeren Leuten ein grundsätzlich neues Verhältnis zur Arbeit entwickelt. Um Privat- und Arbeitsleben stärker in Einklang zu bringen sind immer mehr Menschen bereit, ein bisschen Gehalt gegen ein bisschen Selbstbestimmung einzutauschen. Die Journalistin Kerstin Bunds hat über das Arbeitsverhalten der ‚Generation Y‘ ein Buch mit dem Titel „Glück schlägt Geld“ geschrieben. Ihr Fazit: „Wir sind keine Generation aus Karriereverweigerern, wir definieren Karriere bloß anders als frühere Generationen“.

Diese Entwicklung spielt Tepe und Kaiser in die Arme. Mit der sinkenden Bereitschaft sich im Job um jeden Preis abzurackern, wächst der Bedarf nach Jobsharing und Netzwerken wie Tandemploy. Momentan ist das Projekt noch in der Pilotphase und wird von einem Stipendium der Bundesregierung finanziert. Aber: Eine Crowdfunding-Kampagne für Tandemploy geht Ende August an den Start. In der Zukunft soll das Projekt unter Anderem durch kostenpflichtige Stellenanzeigen und Unternehmensprofile der Arbeitgeber finanziert werden. „Für die Arbeitnehmer wird die Basismitgliedschaft kostenfrei bleiben“ verspricht Tepe.