Lyon,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 Bonjour. Ich heiße Mareike, bin ein Berliner Urgestein und 24 Jahre alt. Ich studiere Kulturwissenschaften in Frankfurt Oder, verbringe die kommenden 10 Monate jedoch in Lyon und erkunde die französische Universitätslandschaft am Institut d’Études Politiques. Während es die meisten nach Paris verschlägt, war für mich Lyon die erste Wahl. Lyon ist nicht nur „la ville de gueule“ (frei: „Stadt der Gaumenfreuden“), sondern bietet allerlei Entdeckenswertes. Um nicht vollends dem guten Essen zu verfallen, widme ich mich sinnvolleren Beschäftigungen und werde mich für euch auf die Suche nach den neuesten Medientrends und -innovationen machen. Fragen, Kritik und Anregungen sind absolut erwünscht. Na dann, allons-y!


Bloß kein LSR! Google und die französischen Verlage

LSR Cab

Google – man kann nicht mit und auch nicht ohne es. So sieht es jedenfalls, wenn auch nur insgeheim, die Mehrheit der europäischen Zeitungsverlage. Uneinig ist man sich in der Frage, ob Google für seine sogenannten Snippets, also die Vorschauschnipsel, die beispielsweise auf einen Zeitungsartikel verweisen, Geld an die Verlage abführen sollte oder nicht. In Frankreich gibt es statt eines Gesetzes nun ein Abkommen zwischen den Verlegern und Google – eine Lösung, die nur für kurze Zeit wenige Vorteile für lediglich eine der beiden Parteien bringt.

Die Lex „Google“

Die Frage der Lizenzierung der Snippets sollte mit dem am vergangenen Freitag im Bundestag beschlossenen Leistungsschutzrecht (LSR) geregelt werden. Kurzfristig wurde der Gesetzesentwurf geändert und die vorgenommene Ergänzung befreit die Google-Snippets von der Lizenzpflicht – jedenfalls solange sie einer bestimmten, bisher undefinierten Länge entsprechen. Oder? Ein Blick in die letzte Fassung des Entwurfs zeigt, dass „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein“ werden. Medienblogger Stefan Niggemeier erfuhr auf Nachfrage beim Bundesverband deutscher Zeitungsverleger wiederum, dass die Länge der Google-Snippets nicht unter die Bezeichnung „kleinste Textausschnitte“ falle. Wenige Tage nach der Abstimmung im Bundestag ist die Verwirrung also groß und die Auslegungsansätze sind vielfältig.

Für diejenigen, die sich einen Überblick über die Debatte verschaffen wollen, hat die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht eine Gegenüberstellung der wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner zusammengestellt. Dazu  lohnt es sich, Stefan Niggemeiers zur Serie mutierte Beiträge „Lügen fürs Leistungsschutzrecht“ zu folgen.

In Frankreich hat man sich versöhnt

Nachdem sich die Verleger in Belgien bereits im Dezember des letztens Jahres mit dem Unternehmen einigten, wurde nun auch im Nachbarland Frankreich Anfang Februar der Streit zwischen Google und der französischen Presse beendet. Statt eines Gesetzes wurde ein Abkommen vom französischen Präsidenten François Hollande, der Vorsitzenden des französischen Presseverbands, Nathalie Collin, und Googles Vorstandsvorsitzenden Eric Schmidt unterzeichnet. Google verpflichtet sich zu einer einmaligen Zahlung von 60 Millionen Euro in einen neu gegründeten Fond, der wiederum den Zeitungsverlagen den Übergang in die digitale Welt erleichtern soll. Über die Mittelvergabe entscheiden unabhängige Experten. Zudem sollen die Verlage privilegierten Zugang zu den Google Tools AdSense, AdExchange und AdMob erhalten.

Eine Win-„Win“-Situation?

Nachdem auch der französische Präsident mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht gedroht hatte, erweist sich die Lösung des Abkommens erst einmal als Gewinn für Google und als Scheingewinn für die französischen Zeitungsverlage. Für ein Unternehmen, das im Jahr 2010 allein in Frankreich etwa 68 Millionen Euro Umsatz generierte, ist eine einmalige Zahlung von 60 Millionen Euro durchaus zu verschmerzen. Der privilegierte Zugang, dessen genaue Ausgestaltung noch unklar ist, für die Verlage zu den verschiedenen Werbetools wie AdSense ist ein weiterer Vorteil für das Unternehmen, da die Verlage nun künftig noch stärker abhängig sind von Google.

Das Geld aus dem Fond steht der Tagespresse, politischen Magazinen und auch den sogenannten „pure players“, reinen Online-Zeitungen und -Magazinen, zu. Ob das Geld am Ende wirklich fair verteilt wird, bleibt abzuwarten. Google konnte sich in Frankreich vorerst also aus den Streitigkeiten freikaufen. Was passiert jedoch, wenn das Geld aus dem Fond verteilt wurde? Werden die Zeitungsverlage den Internetriesen dann erneut und vor allem immer wieder unter Druck setzen?

Auch wenn Frankreichs Präsident Hollande sich sichtlich zufrieden zeigt mit der getroffenen Vereinbarung, handelt es sich hierbei eher um eine kurzfristige Lösung. Erneute Diskussionen sind vorprogrammiert. Fraglich ist auch, ob es Googles Aufgabe ist, die französische Presse eines besseren Umgangs mit dem Internet und der Nutzung von Werbung zu lehren. Außerdem wird es selbst für Google problematisch und teuer, falls auch andere Länder an der Einrichtung eines Fonds Gefallen finden sollten.

 

Foto: Kay Oberbeck

7 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. Und noch eine Anmerkung: ich hatte das Glück mit dem Chef von Google in Skandinavien über die Vereinbarung von Google mit den französischen Verlegern zu reden – er schloß definitiv aus, dass Google seine Suchmaschinenergebnisse verändern würde. Fand ich interessant, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie man ansonsten auf der technischen Ebene den Verlegern helfen könnte, mehr Traffic zu bekommen.

    • Und entschuldige – noch eine dritte inhaltliche Anmerkung 😉 Kannst Du mal in den französischen Blogs gucken, wie dort das deutsche LSR reflektiert worden ist?

      Es gibt auch noch einen kleinen Fehler im Text – Google macht 2010 wahrscheinlich 68 Milliarden Euro Umsatz in Frankreich, oder?

      • Ich war auch erst verwundert, aber das stimmt laut Reuters tatsächlich so. Das ist aber auch wirklich nur der Umsatz in Frankreich

        „Google France reported sales of 68.7 mln euros in 2010, the most recent period for which accounts are available. In that year, the company paid French income taxes of 2.0 million euros, on its 4.4 million euros income.“

      • In den französischen Blogs habe ich leider noch nicht allzu viele Beiträge gefunden. Unter den hauptsächlich informativen Artikel zum Thema in franz. Online-Magazinen wird in den Leserkommentaren allerdings häufig gefragt, wie man Google mit dem LSR Einhalt gebieten will, wenn die Snippets nun evtl doch nicht lizenziert werden müssen.
        Nach einer Entscheidung im Bundesrat gibt es vlt noch einige Beiträge. Viele französische Autoren zweifeln nämlich noch, ob das LSR auch vom Bundesrat verabschiedet wird.

        http://www.numerama.com/magazine/25261-la-lex-google-adoptee-par-les-deputes-allemands.html

        • Sehr interessant! Das hättest Du auch als Blogartikel als Aufmacher nehmen können: „Französische Blogger: „LSR wird in Deutschland hoffentlich vom Bundesrat abgelehnt“.

    • Das ist wirklich sehr interessant! Selbst in den französischen Medien ist man sich noch nicht ganz einig, was mit der Aussage der „privilegierten Zugangs“ tatsächlich gemeint ist. In der ursprünglichen Version dieses Spiegel-Artikels wurde über Rabatte bei der Nutzung der Tools oder bevorzugt bessere Platzierung der Anzeigen gesprochen. Beides wurde von Google dementiert und im Artikel verbessert, aber…..wer weiß..

      http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/google-deal-mit-frankreich-der-abgeblasene-krieg-a-881136.html