Strasbourg,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 „Welkumma en unsrem scheena Strossburi“ heißt es für mich. Der Dialekt verrät es bereits: Aus dem Herzen Frankreichs werde ich nicht schreiben. Dafür allerdings aus dem Herzen Europas: Mit ihren vielen europäischen Institutionen bezeichnet sich Straßburg nämlich selbst als „Hauptstadt Europas“. Der Job hat mich über die Grenze verschlagen und wegen der Vielfältigkeit der kulturellen Einflüsse bin ich geblieben. Beste Voraussetzung also, um nicht nur über französische sondern auch über europaweite Medientrends zu berichten.


Vom Politiker zum Lügenbaron: Der „Truth Teller“ soll Lügen von Politikern im Wahlkampf in Echtzeit entlarven

Der "Truth Teller" soll den Wahrheitsgehalt von Reden in Echtzeit überprüfen

Der „Truth Teller“ soll den Wahrheitsgehalt von Reden in Echtzeit überprüfen

Alles begann letzten Sommer auf einem Parkplatz in Iowa: Steven Ginsberg, Redakteur bei der Washington Post, hörte sich die Rede eines Politikers an. Doch während ihm Unwahrheiten in der Rede auffielen, schien der Rest des Publikums diese nicht zu bemerken. „Es müsste die Möglichkeit geben, den Zuhörern einen Fakten-Check in Echtzeit zu bieten“, dachte sich Ginsberg. Er griff zum Telefon und rief Cory Halk an – Verantwortlicher für digitale Nachrichten bei der Washington Post. Heraus kam der „Truth Teller“, so zumindest die Story. Bisher gibt es ihn nur als Prototyp. Doch das Tool verspricht Einiges: nämlich die Überprüfung von Reden auf ihren Wahrheitsgehalt in quasi Echtzeit.

Und so funktioniert der „Truth Teller“: Mithilfe der MAVIS-Technologie (Microsoft Audio Video indexing service) werden Video bzw. Audio-Aufzeichnungen in Text umgewandelt. Die so gewonnene Information wird in einen Lucene Suchindex eingespeist und dann auf Fakten überprüft. Da seltenst ganze Sätze übereinstimmen können, wird mit verschiedenen Algorithmen gearbeitet. Die Informationen werden so mit einer Datenbank abgeglichen. Stimmen die Informationen der Rede nicht mit der Datenbank überein, wird dies angezeigt. So viel zur Theorie.

Es ist noch viel Entwicklungsarbeit nötig

Bisher gibt es ihn nur als Prototyp und es wird schnell klar, es muss noch viel Arbeit reingesteckt werden, bevor der „Truth Teller“ in der Praxis das hält, was er verspricht – nämlich die Wahrheit zu sagen. So funktioniert die Übertragung von Audiomaterial in Textform keineswegs einwandfrei. Bei einer Rede von Obama wird beispielsweise die Aussage „even economy was growing“ (obwohl die Wirtschaft wuchs) zu „even myabe economy is wrong“ (obwohl vielleicht die Wirschaft falsch ist). Bisweilen ergeben sich auch Aussagen, die weder grammatikalisch noch inhaltlich Sinn ergeben. So wird die Liebe zu Amerika („(…) love their country“) zu „weather confer“ („Wetter gewähren“). Klar, dass ein Fakten-Check mit dieser Information sinnlos ist.

Es bleibt abzuwarten, welche Entwicklungen in den nächsten Jahren gemacht werden und wie der „Truth Teller“ verbessert wird. Kommt es tatsächlich dazu, dass Reden in Echtzeit auf Ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können, würden Politiker in Wahlkämpfen ganz neuen Herausforderungen gegenüberstehen.

Bereits letztes Jahr machte eine Fact-Checking-Site während der Wahlen auf sich aufmerksam: Auf computerbasierte Algorithmen wollte sich das Web-Angebot von owni. fr bei der letztjährigen Präsidentschaftswahl in Frankreich nicht verlassen. Der „véritomètre“ versprach zwar keinen Fakten-Check in Echtzeit, dafür wurden die bereits gehaltenen Reden haarklein auseinandergenommen und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Auch wenn man die Art der Berechnung der Glaubwürdigkeit für jeden Politiker kritisieren kann: Die Fakten zumindest stimmten.

Bild: Screenshot der Seite „Truth Teller“

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