Berlin,
Trendblogger-Jahrgang 2013/2014 Hej! Schweden – das Land im Norden Europas weckt viele Assoziationen. Doch das skandinavische Königreich hat neben Elchen, Pippi Langstrumpf und IKEA noch viel mehr zu bieten. Als Erasmus-Studentin studiere ich für zwei Semester in der Hauptstadt Stockholm Politikwissenschaft. Stockholm ist das Epizentrum dieses vor Innovationen strotzenden Landes. Hier schlägt nicht nur das politische und kulturelle Herz Schwedens – auch die neuesten Medieninnovationen nehmen von hier aus ihren Weg in die Welt. Kein Wunder: In Stockholm herrscht eine sehr hohe Dichte an jungen Start-Ups und Internetunternehmen. Als Trendbloggerin werde ich in den nächsten 10 Monaten die neuesten Medientrends aufspüren und sie mit euch teilen. Ich freue mich sehr über all eure Reaktionen, Meinungen, Kommentare, Fragen und Anregungen!


„Frag ein Klischee!“ – ein TV-Format räumt mit Vorurteilen auf

Jede_r kennt sie, jede_r benutzt sie: Klischees und Vorurteile sind allgegenwärtig und in uns allen tief verwurzelt. Diese Tatsache benutzt das TV-Format mit dem passenden Titel „Frag ein Klischee“: In kurzen youtube-Videos wird eine Person einer stigmatisierten Gesellschaftsgruppe mit einer direkten Frage konfrontiert. Bühne frei für die Demontage von Klischees!

Entwaffnende Fragen, die man sich nie trauen würde zu stellen – dies ist die Hauptzutat des seit Februar auf youtube ausgestrahlten Interview-Serie  „Frag ein Klischee“. Ohne jegliche Form von politischer Korrektheit wird hier die in uns schlummernde Neugier befriedigt: Ist Polygamie nichts anderes als Swingersex? Macht einer Polizistin das Verkloppen von Demonstranten Spaß? Und wie genau behandelt eine Domina ihre Kunden?

Das Format lässt dabei keine vermeintliche Zielscheibe von Klischees aus: Von der Lesbe, über den Banker bis zu dem Flüchtling und dem Bestatter ist jede nur erdenkliche gesellschaftliche Gruppe, die stark mit Vorurteilen belastet ist, vertreten. Der Aufbau der kurzen Clips ist dabei simpel: Die Frage eines youtube-Users wird vorgestellt und eine Person der betreffenden Gruppe beantwortet die Frage spontan und ungeschminkt.

Obwohl die Interview-Serie in erster Linie Menschen befragt, die vermeintlich durchschnittlich und daher für ihre Gruppe repräsentativ sind, bleiben die Kriterien für die konkrete Auswahl der Personen unklar. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn eine Person für eine ganze Gruppe spricht – was für einen schwulen Mann relevant ist oder eine Veganerin als wichtig erachtet, ist höchstindividuell und muss nichts mit der Erfahrungen anderer Menschen zutun haben, die nur per Definiton in dieselbe Gruppe fallen.

Prominente Unterstützung erfährt die Serie durch die Berliner Rapperin Sookee, die in einem Clip erklärt, was „queer“ sein bedeutet.

„Frag ein Klischee!“ ist ein TV-Format mit ganz neuem Konzept. Der Gedanke dahinter ist gut – Menschen, die sonst im Getöse ihrer eigenen Klischees nicht gehört werden, kommern hier zu Wort. Sie haben die Möglichkeit, ganz ungezwungen und frei von wissenschaftlich-theoretischen Diskursen und politische korrekten Floskeln ihre Position zu erklären.

Dabei nivelliert die breite und scheinbar willkürliche Auswahl der jeweiligen Gruppen die Stigmatisierung einerseits. Wenn der Banker in einem Atemzug mit dem Kleinwüchsigem und der Lesbe befragt wird, so macht das Format deutlich, dass hinter all diesen Labels bloß einfache Menschen stecken, die mehr sind als die Summe der Vorurteile, die die Gesellschaft ihnen gegenüber hegt.

Andererseits liegt genau hier die Gefahr: Komplexe Themen wie die Polyamorie, die Sexarbeit oder der Veganismus werden auf eine einzige Frage reduziert. Somit fällt auch die Antwort sehr kurz aus und das Thema kann nur von einem singulären und sehr persönlichem Aspekt beleuchten werden. Außerdem werden die zum Teil politische sehr brisanten Themen, da sie in ein und demselben Format verarbeitet werden, auf eine Stufe gestellt.

Hinter hyperbole steckt das Forschungsprojekt Grundversorgung 2.0 der Leuphana Universtität Lüneburg. Alle alten und kommenden Folgen von Frag ein Klischee gibt es hier.

Was haltet ihr von diesem Format?

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8 KOMMENTARE , GEBE EINEN KOMMENTAR AB

  1. spannendes format! ein bisschen problematisch ist natürlich wirklich die repräsentation einer ganzen gruppe durch ein einzelnes individuum, aber für mich überwiegt der aspekt, sonst bloßen begriffen ein gesicht zu geben. cool von den teilnehmenden, so offen und grundsätzlich auf teils krasse, aber sicherlich verbreitete (unausgesprochene) fragen zu antworten! schöner artikel :)

  2. Sehr interessantes Thema, danke für die Anregung dieses Format kennenzulernen!

  3. Sehr lustiges und interessantes Format,
    und berechtigte Kritik, dass die Auswahl nur einer Person, die für die gesamte Gruppe spricht sehr eingrenzend ist, vor allem wenn sie dem jeweiligen Zuschauer vll. unsympathisch erscheint…
    Sehr gut, dass dem pädophilen Menschen soviel Platz eingeräumt wurde!

  4. ein witziges format, das in deinem artikel differenziert beleuchtet wird! ich habe mich aber gefragt, ob damit die hemmschwelle aus dem weg geräumt werden soll, demnächst dann ähnliche fragen zu stellen wenn man betreffenden begegnet oder doch eher betont werden soll, dass die fragen nicht unbedingt angemessen sind?
    mir gefällt auf jeden fall der gedanke, dass enttarnt wird, dass hinter einem_r vermeintlichen vertreter_in auch nur ‚ganz normale leute‘ stecken, die eben manchen klischees entsprechen ohne dabei gleich das ganze paket abzudecken.

  5. Den besonderen Vorteil dieses Formats bringst du auf den Punkt: „Sie haben die Möglichkeit, ganz ungezwungen und frei von wissenschaftlich-theoretischen Diskursen und politische korrekten Floskeln ihre Position zu erklären.“

    Trotz allem akdaemischen Für- und Wider und Ach und Aber wegen mangelnder Repräsentativität und gefürchter Verflachtheit ein Format, dass statt peinlichem Schweigen offene Fragen zulässt. Und wenn es dem Abbau von Vorurteilen dient, können die so dumm nicht sein. Danke für die Empfehlung!

    • * Upsss…. dass es „das“ heissen sollte vergaß ich ganz.