Valencia,
Trendblogger-Jahrgang 2012/2013 In ein Land ziehen, in dem man niemanden kennt, in dem man sich nicht auskennt und dessen Sprache man nur bedingt gut spricht ist eine blöde Idee? Möglicherweise. Habe ich es trotzdem gemacht? Auf jeden Fall! Seit Ende Januar lasse ich mich von Valencia verzaubern und gehe mit besonders offenen Augen und Ohren durch die Straßen, um eine ganz spezielle Kultur zu erleben und gelegentlich auch auf die ein oder andere Außergewöhnlichkeit zu stoßen. Ob ich dabei nur auf siestaliebende Spanier oder bahnbrechende Erneuerungen treffe, kann bei den Trendbloggern nachgelesen werden. Update 01/2014: ... und so schnell ist man dann auch wieder zurück in der Heimat - det dufte Berlin - und siehe da berichtenswerte "Trends" gibt es überall.


“Deine Nachricht ist die Nachricht”

Seit sechs Jahren lesen wir in der Zeitung fast jeden Tag etwas von Finanz-, Schulden- oder Eurokrise, diversen „Rettungschirmen“, hohen Staatsverschuldungen und wie gerade die Bevölkerungsschicht darunter leidet, die am wenigstens zur derzeitigen Staatssituation beigetragen hat. Während in den meisten Medien die Tendenz erkennbar ist, sich auf die offensichtlicheren negativen Seiten zu konzentrieren, hat das online Nachrichtenportal thelocal im letzten Monat auf die positiven, sozialen Auswirkungen der Krise aufmerksam gemacht.

Ruben SanchezIn der spanischen Bevölkerung wird vermehrt ein verändertes Konsumbewusstsein deutlich. Nicht den Marken, sondern den Preisen wird mehr Gewichtigkeit zugeschrieben. Die Bevölkerung ist bedacht, weniger verschwenderisch zu handeln und schaut beispielsweise beim Einkauf auf Verfallsdaten. In Bezug auf ihr Recht sind Spanier aufgeklärter als zuvor und auch im Verbrauch, z. B. bei Heiz- und Stromkosten und der Nutzung von Klimaanlagen, sind sie sensibilisierter. Dies verrät der Sprecher der Verbraucherorganisation FACUA Rubén Sánchez García, thelocal im Interview.

María José CaballeroEbenso berichtet María José Caballero, Kampagnensprecherin von Greenpeace Spanien, thelocal von weniger Luftverschmutzung durch Model wie Carsharing oder allgemein geringerer Nutzung des Autos.

Aber nicht nur in Bezug auf Finanzen und der Umwelt hat die Krise einen positiven Einfluss. Ebenfalls im Bereich des Soziallebens wird das Bewusstsein der Menschen erweitert. Sprecher von Caritas Barcelona und dem Cruz Roja vermelden eine steigenden Anzahl freiwilliger Helfer und mehr Spenden.

Das erweiterte Bewusstsein selber mitzuwirken wird auch im Bereich der Information und Informationsverbreitung deutlich. Es ist eine Zeit angebrochen, in der sich die spanische Bevölkerung nichts mehr diktieren lassen möchte, sondern selbst aktiv wird. tunoticiaeslanoticiaSeit 2007 existiert Bottup, eine journalistische Plattform, auf der die Artikel von den Bürgern selbst verfasst werden. Initiator Paul Llop hat mit Bottup ein Medium des freien Informationsflusses geschaffen. Das Projekt des Bürgerjournalismus mit dem Motto „tu notica es la noticia“ (“Deine Nachricht ist die Nachricht”) entstand mit dem Ziel der Presse keine Monopolstellung mehr zu geben, sondern im Zeitalter der neuen Medien den Vorteil zu nutzen, dass sich jeder mitteilen kann, denn keiner kann besser wissen, was den Leser interessiert als der Leser selbst.

 

 

túabresel periodismoMit den Worten „Tu abres el periodismo“ (“Du öffnest den Journalismus”) wird jeder Besucher, schreibender Leser, Hobbyjournalist, partizipierender Berichterstatter und selbsternannter Federführer des gemeinschaftlichen Lebens auf der Webpage begrüßt und aufgerufen sich einzubringen. Ein Konzept mit Erfolg. Seit 2007 wurden mehr als 12.000 Artikel von über 2.000 Bürgern aus Spanien und zehn lateinamerikanischen Ländern eingereicht. Die Beiträge sind vielfältig und werden 13 Kategorien, wie z. B. Politik, Wirtschaft, Bildung, Lokales etc., zugeordnet. Veröffentlicht wurden davon mehr als 8.000, das entspricht ca. 3 bis 4 Artikeln pro Tag. Für die Veröffentlichung in der Online-Bürgerzeitung müssen zwei Bedingungen erfüllt werden. Artikel dürfen nicht gegen die Würde des Menschen verstoßen oder werbend-kommerziell sein.

Bottup beschreibt sich als die erste und bisher einzige Plattform für Bürgerjournalismus auf spanisch. Sie stellt sich in den Dienst des Bürgers, indem die eingesandten Artikel von professionellen Journalisten editiert, gegebenenfalls mit Bildern und/oder Videos ergänzt und im Namen des Autors veröffentlicht werden. Redigierte Artikel werden als dies gekennzeichnet, jedoch wird nicht gezeigt an welchen Stellen eine Veränderung vorgenommen wurde.

illstraciónDie Resonanz für die Plattform ist ansehnlich. Derzeit hat Bottup 7486 Facebookfreunde und 2428 Twitterfollower1. Zusätzlich gibt es auch BottupTV auf Youtube mit derzeit 209 Abonnenten.

Eigene redaktionelle Beiträge der drei ehrenamtlichen Mitarbeiter sind lediglich im Blog zur Seite zu finden. Durch die primäre Veröffentlichung von Bürgerbeiträgen kann Bottup unabhängig agieren. Eine Finanzierung ist dennoch nötig. Das Projekt wird durch Zuschüsse von Nxtmdia, einer Grafikdesingfirma für Auftragsarbeiten, und Spenden subventioniert. Geplant ist zukünftig eine 100%ige open source Erweiterung für Bottup, in der jeder Journalist weltweit die Möglichkeit hat Artikel zu editieren.

 

Auffällig ist, dass der Dienst des Editierens auf der Internetseite stets positiv hervorgehoben wird. Was für den Leser vielleicht kein schlechtes Angebot ist, bedeutet für den Schreiber zum einen eine mögliche Hilfestellung, aber zum anderen auch, dass in seinem Artikel nach fremden Ermessen rumgefuscht werden kann. Ist es dann noch freier Bürgerjournalismus oder doch eine Art der Zensur? Ist es eine Möglichkeit journalistische Qualität zu gewährleisten und zugleich ein Sprachrohr für diejenigen zu sein, die nicht Journalismus, Kommunikation, Medienwissenschaft o. ä. studiert haben?

Bottup ist letztendlich eine Plattform, auf der jeder etwas schreiben kann, der etwas sagen möchte – so wie jeder das Internet nutzen könnte. Doch muss erst mal jemand auf die Idee kommen und sich darum kümmern etwas derartiges ins Leben zu rufen, das auch genutzt wird. Das hat Paul Llop und sein Team getan und hat damit ein Medium geschaffen, das nach dem Prinzip „gemeinsam können wir besser informieren„ funktioniert. Einer alleine kann nicht über alles im Bilde sein, alle zusammen können viel Wissen und aktuelle Geschehnisse zusammentragen. Llop zeigt damit, dass man gemeinsam ein frequentiertes Sprachrohr bilden kann, das gerade in schwierigen Zeiten mit hohem Mitteilungsbedürfnis den Themen Aufmerksamkeit ermöglicht, die einer speziellen Zuwendung verlangen und die so bürgernah wie möglich sind.

 

1Stand: 22.05.2013

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